In Anwesenheit des Lyrikers Peter Ahorner wurde sein Gedicht «Trotz Wien» erweitert
Die «Anstalt», wie sie liebevoll abgekürzt wird, verfiel schon in der Startveranstaltung im Februar in einen veritablen Produktivitätsrausch. Gastlyriker Peter Ahorner kam aus dem Staunen kaum heraus: Sein absurdes Gedicht «Trotz Wien» erwies sich als Vorlage, die spontan die Phantasie der Besucher_innen anregte. Diese hatten sich die Aufgabe gestellt, das Langgedicht Ahorners bei Beibehaltung der rhythmischen und inhaltlichen Merkmale mit ihren eigenen Strophen zu ergänzen.Hier Absurd-Ahorners Text:
TROTZ WIEN!
Praxis Doktor Passepartout
Am Tablett kein Pulver
Flüssigpflaster Liebe heilt
Wundeschön das Leben
Polizei im Sprachrevier
Fundort nahe Syntax
Prädikatentoleranz
Vivat Pleonasmus
Ringelspiel und Ringelernst
Kain und Abel rasten
Fliehkraft haut die Nerven um
Aufgetaut und wenn schon
Mund aus Glas und Herz aus Brot
Ausrangierte Augen
Blick aus Fell und Hand aus Fuß
Körperstellen dauern
Horoskop aus Marzipan
Zwei Auguren dritteln
Fast venerisch piperln wir
Generell wird’s Merkur
Marmortisch mit Überbein
Hornbebrillter Hofrat
Mahlzeitartig durchgeschult
Supperl öffnet Magen
Tabernakel öffne dich
Eil herbei, Monstranzerl
Frisch poliert, komm sing ein Lied
Erbst nix, erbst die Sünde
Konfusion vom Magen her
Trampolin Kartoffel
Oberst Kren knallt frei das Hirn
Literweis Melisse
Subcutaner, schleich dich an
Schlachtfeld Epidermis
Rührt Berührung immer mehr
Imperator Frühherz
Räusperreiz am Nachmittag
Bronchiale Distel
Extubierter Halskanal
Beuschl auf der Zunge
Pyroman Pythagoras
Schülermuskeln flammen
Nahquadrat plus Wehquadrat
Hypo sucht Medusa
Schillerlocken schlacken ab
Picknick unter Wasser
Reingelegt, dann eingelegt
Rollmops, Russe, Zwiebel
Geld belehnt in Pfandanstalt
Inflation und wenn schon
Hundert rein und neunzig raus
Pfeif ma auf Effekte
Reiss dein Herz auf oder mich
Biber beim Dentisten
Wurzel oder Pankreas
Ungezogen schlafen
Arsch im Pfeffer oder wo
Brüssel würzt uns chemisch
Kräuter wachsen im Regal
Lauchschnitt, Kresse – Mahlzeit
Kathedralen kühlen uns
Steinmetz Pfingsten kudert
Liturgie im Schlotterhemd
Corpus Christi lüftet
Biathlon statt Munition
Läufige Gewehre
Durch die Kimme dringt der Schnaps
Körner trinken Hühner
Kanteneck und Spitzquadrat –
Hymnisch bleibt das Runde
Kurve schlagt Justitia
Satan trotzt dem Richter
Perlenkettenreaktion
Schwanenhals betuchter
Augen brechen Regenlicht
Sei nicht enthusiastisch
Schwer intime Fahnenflucht
Völkerrecht für alle
Gaumen kraulen geht vorbei
Dauervisum auch bald
Fein getrennt von Tisch und Bett
Herz und Holztisch keuchen
Schlaf- und essbar ist der Mensch
Liebe is kein Polster
„Tagliatelle – Düsseldorf,
tour retour, wenn möglich!“
Carla sucht ein Hochzeitskleid
Für die geile Nonna
„Endorphin heißt mein Delphin!“,
spricht der Zitterrochen
„Die Elektrik stimmt bei uns,
Wählerstrom und Düse“
Apotheken räumen gern
Fortbewegungsmittel
Alka Seltzer Fruchtgeschmack
Ab in die Ampulle
Am Jahrhundert flennt die Zeit
Bettflucht der Heraldik
Greif und Leu sind vogelfrei
Kümmern sich um Tiere
Sei mir doch nicht so abhand
Sprechen wir beim Schweigen
Tiefschnee bringt ein Land in Sicht
Glück, verdeckt ermittelt
Irgendwann beginnt der Mai
Ohne Dächer trinken
Katzenfelle tanzen schlecht
Regen, Sucht nach Juli
Baldrian am Campingplatz
Klapptisch macht die Grätsche
Enge Luft und kahle Stirn
Nachtmahl, laute Biere
Milky way, Planetenstau
Die Mikroben toben
Gestern hat Saturn getauscht
Mit dem Kosmos Ringe
Milder Abend, Knochenfrost
Dioptrien beim Heimweg
Fotografen noch daheim
Herbsten sich Motive
Streng lattierter Schonkaffee
Porzellan im Kuchen
Vitamine überall
Phlegma, Krümel, Lachen
Vollmond, mach die Trenndiät
Sonst verschütten alle
Fetter warst du heuer nie
Hör bloß auf mit Lila
In der Angst sind wir daheim
Ferien kommen später
Dann fahr´n wir alle aus der Haut
Außerdem wird’s finster
Warst du schon in Wien bei dir
Oder außer sich nur
Bleib doch, wo du eh nicht bist
Ottakrinzing gibt’s nicht!
Soweit das Original. Im Folgenden die (nicht vollständigen) «Fortführungen» des Gedichtes, die in einer unseren Gast Peter Ahorner verblüffenden Quantität und Qualität zu Papier gebracht wurden:
Jenny Legenstein dichtete:
Reinprechtsdorfer Stadtperchtschmutz
Fenstergitter weichlich
Tennistaschen tauen schlecht
Lauslos in den Kühlschrank
UFO-freier Wandertag
Kometenschweif will wedeln
Aliens im Heimathaus
Ins Kraut schießende Fleckerl
Ich am Anfang schreibt man nicht
Auch nicht Dann und Und
Wortwiederholungsunikat
Buchträgheit nicht zu schließen
Franz Blaha dichtete:
Martinsgansel, steig den Berg!
Gabel sticht den Löffel.
Sieben Zwerge schlafen schlecht.
Schlafen in Pantöffel.
Schlecht gesiebte Milch verkalkt.
Opa kriegt Gastritis.
Oma strickt im Internet.
Enkel fährt nach Vitis.
Esel rufen nicht „miau“.
Katzen lieben Würmer.
Angler saufen grünen Schlamm
sind halt schlechte Stürmer
Dschungelkühe geben Schnaps,
Elefanten weinen.
Pfarrer züchten Rosenwein.
Engel kriegen keinen.
Knabenröcke flattern steil.
Nordwind liegt in Falten.
Globus platzt in Tortenform
alles bleibt beim Alten.
Blau-Shampoon macht Affen kahl.
Leer ist der Kalender.
Goethe formt ein Warzenschwein,
keinen Sechzehnender.
Schande duckt sich ins Gesäß.
Lust paart sich mit Freude.
Niemals schlägt die Sanduhr sechs.
Spechte kriegen Räude.
Grillparzer friert sich zu Tod.
Rilke fastet räumlich.
Nur Bert Brecht schreibt Kirschen rot.
Globus ziert sich bäumlich.
Mars kommt nur in Riegeln vor.
Venus liegt im Koma.
Griechenland ist inselreif.
Das weiß auch die Oma.
Siebzehn Warzen tanzen Twist.
Spatzen hassen Walzer.
Merkel sagt: wir schaffen das,
mit ’nem Zungenschnalzer
Wahnsinn, ruft der Schreiberling,
Wahnsinn hat Methode,
Wahnsinn herrscht in Ottakring,
Wahnsinn ist jetzt Mode.
Wahnsinn, keucht ein später Narr
Wahnsinn macht uns happy.
Trump ist jetzt der Hahn im Klo
und ein festes Deppy.
Schwule machen Schwanzmusik.
Fasching ist ein Hammer.
Fasching ist das ganze Jahr
in der strengen Kammer.
Dreißig Pflaumen trinken Rum,
kriechen in die Töpfe.
Mutter schnäuzt sich in die Faust,
flicht sich lange Zöpfe.
Neun im Lotto gibt es nicht.
Glück ist eine Lüge.
Mimi frisst ein Tortenstück.
Gin füllt ihre Krüge.
Straßenbahn geht nicht entzwei.
Autos haben Reifen.
Steppensäufer haben’s schwer,
wenn Schakale keifen.
Neunzig Dichter fasst das Meer,
schwitzend auch im Winter.
Peter Handke macht Raudau.
Doch ist viel dahinter.
Alibaba jagd die Maus.
Räuber haben Schwerter.
Bleiben nächtens nicht zu Haus.
Charlotte killt den Werther.
Säbel üben das Duell,
sind wie harte Nudeln.
Köpfe rollen in den Hof,
dass sie ihn besudeln.
Aufrecht wächst das Winkelkraut,
neunzig Grad im Hofe.
Das freut den Pythagoras
und die Kammerzofe.
A-Quadrat schlägt B-Quadrat
winkelig im Dreieck.
Leider leider nutzt es nix
denn ich bin ein Zweieck.
Peter A. Krobath dichtete:
Schwarzer Hut und schwarze Schuh
bin ein Partezettel
Ablaufdatum als Tatoo
Grabsteinlasertatschskrien
Steig zu mir ins Eibett heut
Tatsch den Skrien im Flaulicht
Blaue Milch trinkt sich zu spät
Pathosfondüreibe
Ohnmacht Katastrophenlust
Lunge heavy metal
wild entschlossen wildersein
Sinn ist wieda dada
Irina Kostka dichtete:
In dem Heurigenquadrat
Oder bei der Mutter
Kratzt du ab im Dunkeleck`
Find`st daham ka Futter
Bitterdrama, anonym
Raubst du aus den Billa
Stotterst Söhnchen wonnevoll
Bist ein depperts Zwergerl
Schreibst du an den lieben Gott
Oder an den Teufel
Wirst am End` noch pädophil
Hat dein Hirn viel Wasser
Schaust du zu
Beim Fußballmatch
Von den feschen Buben
Exponierter, Irritierter, schlechte Kinderstuben
Bürgerschreck und Demonstrant
Blattsalat und Kahlhaupt
Hofburghengst und Intrigant
Splitternackt als Maler
Komikente, Opfertier
Flügel haben Schmerzen
Brennen Säuren über mir
Unten droht die Schwärze
Merzen aus wir alle nur
Leeren alle Kübel
Schleichen Hunde durch das All
Brechen sich die Zunge
Markus Grundtner dichtete:
Donau ohne Temperatur
Tauben löschen Regen
Pass, Passage, Passepartout
Straßen spiegeln Bühne
Aktenabfall auf dem Altar
Gerechtigkeit ist vage
Instanzenturm aus Radios
Babel stellt uns Fragen
Jutta Lorina Niederstätter dichtete:
Kackerlacken kacken ab
Trotzkiisten trotzen
scharlachroter Scharlatan
Bubenrotz gepokert.
Seid prinzipiell prinzipientreu!
pflanzet Purzelbäume!
bringts dem Prinz ein Prinzolin!
kriegt er oage Träume!
Alexander Fortunat dichtete:
Ein Glas trinkt Bier
Kein Sofa bellt im Aufzug
Schwarze Luft, die sich verstellt,
Fetzenwort, ein Schrei ist still.
Die Unvernunft stellt sich ins Eck,
Minutenlang die Stund vergeht
Kein Kruzifix bedankt sich grün
im Himmel spukt die Hölle.