Sachbuch: Kochbuch
Ein Buch über ein Kochbuch? Karina Urbach erzählt über das «arisierte» Kochbuch ihrer Oma Alice, die in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Goldeggasse (Wien IV) eine Kochschule betrieb und daneben noch Kochbücher schrieb. Ihr wichtigstes hieß So kocht man in Wien! Ein Koch- und Haushaltungsbuch der gut bürgerlichen Küche und verkaufte sich sehr gut – bis die Nazis an die Macht kamen und der Verlag das Kochbuch «arisierte».
Wie funktionierte diese «Arisierung»? Das Vorwort von Alice, in dem sie von der Internationalität der Wiener Küche schwärmte, musste verschwinden – und auch Rezepte wie die «Rothschild-Omelette», die jedem strammen Nazi natürlich den Appetit verdarben. Dafür wurde ein Kapitel über den «Eintopf» hinzugefügt, der hervorragend an die reichsdeutschen Gedärme in Kriegszeiten angepasst war. Die eigentliche «Arisierung», sprich brutale Enteignung, war aber, dass statt Alice ein Rudolf Rösch, «langjähriger Küchenmeister in Wien», als Autor eingesetzt wurde. Alice erhielt bis zu ihrem Tod 1983 die Rechte an ihrem Buch nicht zurück. Karina Urbach erzählt aber nicht nur über das Buch, sondern auch über jüdisches Leben in Wien, Vertreibung und Emigration. Spannend!
Karl Öllinger
Karina Urbach:
Das Buch Alice. Wie die Nazis das Kochbuch meiner Großmutter raubten
Porpyläen 2020
432 Seiten, 25,70 Euro