«Ziel der Redaktion ist es, das gesamte Meinungsspektrum abzubilden.» So war es im offiziellen Statement des ORF zu lesen, nachdem die Verantwortlichen der Sendung «Bürgerforum» beschuldigt worden waren, der rechtsextremen Organisation der «Identitären» eine Plattform mit großer Reichweite geschenkt zu haben.Wenn damit eine neue Toleranz des öffentlichen Fernsehens gegenüber Rassismus, Antisemitismus und Sexismus angekündigt wird, dann gute Nacht! Bisher galt als demokratischer Konsens, dass die Äußerungen neofaschistischen oder rechtsextremen Gedankenguts Gesetzesverletzungen und mit dem Verweis auf «Meinungsfreiheit» nicht zu legitimieren sind. Das ist eine Lehre der Geschichte.
Bei einem Ranking der menschenfeindlichsten Aussagen würden die Wortmeldungen des Führers der Identitären, Alexander Markovics, ziemlich weit oben zu finden sein. Er konnte in der ORF-Sendung, in der Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner zu Gast waren, widerspruchslos und unter applaudierendem Gejohle seiner Gefolgsleute seine Hetze gegen Asylsuchende vortragen. Faymann räusperte sich, das blieb seine einzige Reaktion.
Der ORF-Sendung vorangegangen war die Attacke der Markovics-Truppe gegen die Schauspieler_innen des Elfriede-Jelinek-Stücks »Die Schutzbefohlenen» vom 14. April im mit 700 Zuhörer_innen vollbesetzten Audimax der Wiener Universität. Die Aggressivität des rechtsextremen Bühnensturms galt insbesondere der Zusammensetzung des Laienensembles: Flüchtlinge aus dem Irak, aus Afghanistan und aus Syrien. Die Rechtsradikalen wurden vom Publikum verjagt, danach gab’s minutenlang Standing Ovations für die Schauspieler_innen, als Dank dafür, dass sie sich entschlossen – mit zitternden Knien – weiterzuspielen.
Im Namen der Veranstalterin des Theaterabends, der NGO «Die Schweigende Mehrheit», kündigte Theatermacherin Tina Leisch an, das Ensemble werde schlussendlich den Mut haben, seine Arbeit fortzusetzen. Ermutigend sei die Vielzahl der Solidaritätserklärungen, die in der Woche nach dem rechten Überfall abgegeben worden sind. Ermutigend sei auch, dass die rotgrüne Stadtregierung das Wiener Rathaus als Aufführungsort anbot; dort könnte es, wie Tina Leisch hofft, noch in der ersten Hälfte dieses Jahres zu einem Ereignis kommen, das das Theater – nach einer Epoche seiner Selbstausschließung aus dem politischen Feld – wieder als Medium des gesellschaftlichen Aufbruchs vorstellbar macht.