Chilip in Druk Yul (3)
Die übergroße Statue des Buddhas im Lotussitz ist von beinahe ganz Thimphu aus zu sehen. Gemeinsam mit seinem Thron misst der Buddha Dordenma («made in China») fünfzig Meter, in den Gebetsräumen finden sich tausende kleinere Buddha- und Bodhisattwa-Statuen und andere Kostbarkeiten.
Foto: Namgay Tshering
Mönche wiegen einem inneren Rhythmus folgend vor und zurück, rezitieren tibetische Weisheiten; ihr Gemurmel vermengt sich zu einem tranceartigen, ehrfurchtgebietenden Klanggebilde, dem ich mich kaum zu entziehen vermag. Das safrangefärbte heilige Wasser auf meiner Haut, aus einer Vase gleich einem Kleinod in meine Hände gegossen, ist wohlriechend. Ich verweile. Beobachte den beständigen Fluss an Menschen, die sich zu Boden werfen und wieder aufrichten, mit Mönchen sprechen, durch Berührung an der Kraft heiliger Gegenstände teilhaben wollen.
Der Aufstieg schlängelt sich entlang eines Hanges, führt vorbei an Malereien im Fels, kleineren Bogenschießarenen (deklarierter Nationalsport Bhutans) und etlichen miniaturhaften Chorten, der tibetisch-bhutanische Spielart von Stupen, die Gläubige am Weg zum Heiligtum in Felsspalten platzierten. Schritt für Schritt taucht der Kopf des Buddhas weiter hervor, um hinter der nächsten Serpentine wieder zu verschwinden. Bergspitzen situieren sich raffiniert zwischen Gebetsfahnen. Die Fahnen stechen mit ihren strahlenden Farben aus der Umgebung hervor oder bestechen mit der Anmut ausgedünnten Stoffes, dessen sonnengebleichte Farben vornehme Zurückhaltung sind und dessen Bewegungen sich ungleich feiner an den Wind schmiegen. Tanzend scheinen die Fahnen sich und ihre Gebete mit der Leichtigkeit eines Windhauchs aufzuheben. Aufheben – auflösen, erhöhen, bewahren, murmelt es leise im Hinterkopf. Falsche Baustelle. Weiter zur nächsten Baustelle, durch und durch materiell: Ein riesiges Eingangstor zum Denkmal wird gerade errichtet. Etwas abseits der Straße aufwärts blickend gibt sich ein ein/aus-drucksvolles Bild. Die Arbeiter, die den Stuck am Dach des unverputzten Torbogens verfeinern, erscheinen auf Augenhöhe mit Buddha. Kaum größer als seine Nase, werken sie gewissenhaft und scheinen sich wenig um den goldenen Kopf zu kümmern, dessen schmale Brauen mir als Verlängerung des Torbogens erscheinen. Während ich mein Objektiv auf die poetisch erhöhten Arbeiter richte, wendet sich einer mir zu und blickt direkt in die Linse. Ich drücke ab – und hoffe, dass mir der Filmentwickler keinen Frevel vorwirft.
Marisa Kröpfl schreibt aus Druk Yul (Königreich Bhutan) von ihren Eindrücken als Chilip, wie Ausländer_innen im Land des Donnerdrachen genannt werden.