Krimi
Seit Jahren schießen in Europa und besonders extrem im deutschsprachigen Raum Krimis wie die Schwammerl aus dem Boden. Qualität bestenfalls: nullachtfünfzehn! Die Verlage – und in verminderter Form auch die Autor_innen – versprechen sich offenbar durch diese Megainflation das schnelle Geld. Der Markt macht die Musik. Aus all diesem semi-literarischen Gerümpel ragt, wie ein hundert Meter hoher Fels in der Brandung des öden Mittelmaßes, die französische Autorin Fred Vargas heraus. In ihrem jüngsten, dem mittlerweile zwölften Kriminalroman mit Kommissar Adamsberg in der Hauptrolle führt der Weg von Paris aus in den Süden nach Nîmes. Sukzessive sterben dort alte Männer am Gift der sogenannten Einsiedlerspinne. Der verträumte Philosoph unter den Kommissaren dieser Welt folgt, gegen heftigen Widerstand aus der eigenen Polizeiabteilung, den Spuren der Spinne und landet bei einer Gruppe von Sadisten, die in ihrer Jugend Buben quälten und Mädchen vergewaltigten, die als Erwachsene noch sadistischer, bis ins hohe Alter aber nie dafür zur Rechenschaft gezogen wurden. Mehr muss jetzt nicht verraten werden. Nur so viel, dass es auch ums (ungewollte und gewollte) Eingesperrtsein geht und dass die Wege des Herrn Adamsberg häufig den Anschein von Umwegen haben. Alles das abgründig, vergnüglich und mit dramaturgischer und stilistischer Brillanz erzählt von der, behaupte ich, mit Abstand besten Krimiautorin dieses Kontinents.
Fred Vargas: Der Zorn der Einsiedlerin
Blanvalet Verlag 2020 (TB)
512 Seiten, 12,40 Euro