Auf Knopfdruckvorstadt

Die Verkaufsautomaten werden immer vielfältiger: Neben alten Zuckerlautomaten und klassischen Zigarettenautomaten finden sich auch skurrile Selbstbedienungsangebote. Eine Erkundungstour.

TEXT & FOTOS: Petra Sturma

Bekannt sind die Automaten in altem Stil mit kreativen Inhalten im Museumsquartier. Hier sind passend zu den verschiedenen Themenpassagen kleine Apparate aufgehängt, bei denen man um zwei Euro Comics, Tonspuren oder Gedichte verschiedener Künstler_innen kaufen kann. Auf solche Verkaufsgeräte kann man in ganz Wien stoßen. Beispielsweise im 22. Bezirk, dort bietet eine Gärtnerei die Möglichkeit, den Liebsten Blumen vom Blumenautomaten mitzubringen. Wenn eine_n beim Spazierengehen der Hunger quält, bekommt man einen Tafelspitz aus dem Glas um zehn Euro bei einem traditionsreichen Kaffeehaus in der Innenstadt, einen Burrito von einem mexikanischen Grill am Alsergrund oder eine Pizza jederzeit aus einem Automaten serviert. Sogar vegane Wünsche werden in der Rechten Wienzeile den ganzen Tag per Automat erfüllt. Dazu gönnt man sich ein Bier aus einem der vielen Getränkeautomaten oder eine Flasche Schaumwein um rund 15 Euro aus dem Proseccoautomaten, der sich wohl wenig überraschend im ersten Bezirk befindet. All das erhält man rund um die Uhr, ohne mit Verkaufspersonal kommunizieren zu müssen, und meistens bargeldlos mit Karte. Sollte es plötzlich zu regnen beginnen, sorgt ein vom Automaten erworbener Regenschirm für Trockenheit. Schlägt das Wetter um und es blendet die Sonne, verschafft ein Brillenautomat in der Mariahilfer Straße Abhilfe. Sollten dann noch Wünsche offen sein, bieten in ganz Wien verteilte Automaten-Läden eines Unternehmens mit Sitz im steirischen Knittelfeld alles von Dildos über Linzer Schnitten und Beef Jerky bis hin zu Bitcoins.

Der Konsum.

So erstaunlich die breite Auswahl an Produkten per Automatenverkauf ist, stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die wenigsten Menschen tatsächlich stehenbleiben, um sich einen Champagner-Trüffel-Leberkäse um rund zwölf Euro oder eines der anderen skurrilen Produkte zu kaufen. Untertags wird die frische Pizza der Pizzeria nebenan der Automatenpizza vorgezogen, nur nachts erfreuen sich die klassischen Snack- und Getränkeautomaten der größeren Frequentierung. Der 20-jährige Zivildiener Jakob erklärt: «Ich bin da eigentlich immer skeptisch.» Er kauft nur sehr selten per Automat, da sie für ihn meist wenig seriös wirken. Er möchte wissen, wer daran verdient, und befürchtet bei Lebensmitteln, dass sie verdorben sein könnten. Jakob würde nur dann etwas von der Maschine kaufen, wenn das Produkt außergewöhnlich und vor allem günstig wäre, denn meistens sind seiner Meinung nach solche Produkte teurer als im Geschäft. Sarah (26) ist zwar begeistert von dem Angebot der Automaten eines veganen Restaurants, «die Auswahl ist wie in einem Biosupermarkt», für gewöhnlich kauft sie aber kaum etwas vom Apparat, außer gelegentlich eine Wasser- oder Colaflasche.
Trotz der außergewöhnlichen Angebote geben die meisten Menschen an, nur Getränke oder Snacks beim Automaten zu erwerben. Das mit Abstand am häufigsten gekaufte Produkt sei Bier, erklärt Oliver Lang, Betreiber der Eh da. Greissler-Automaten. Dabei helfen neue Technologien, wie in das Gerät integrierte Alterskontrollen mittels Ausweisscan, um den Verkauf von Alkoholika zu ermöglichen.

Teufelskisten.

Der erhebliche Vorteil der Automaten ist die ständige Erreichbarkeit – egal zu welcher Uhrzeit, die Produkte bekommt man immer. Aber auch die Anonymität hätte sich für den Automatenvertrieb als sehr erfolgreich gezeigt, erzählt Ferry Ebert (porträtiert im Augustin Nr. 536 und auf www.augustin.or.at/das-glueck-der-automaten). Der Unternehmer hat in den 1950er-Jahren begonnen, Kondomautomaten in Lokalen aufzustellen. Dadurch ergab sich die Möglichkeit, das Verhütungsmittel relativ anonym zu kaufen. Heutzutage ist diese Art der Automaten kaum noch zu finden und wird wohl bald völlig von der Bildfläche verschwunden sein. Denn es ist mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert, es wird sogar als vorbildlich gesehen, Kondome in aller Öffentlichkeit in der Drogerie zu kaufen. Damals sei diese Ware jedoch noch verpönt gewesen und die Automaten wären von der Kirche als «Teufelskiste» verschrien worden, erklärt Ebert.

Die Unternehmen dahinter.

Weshalb stellen immer mehr Unternehmen ihr Produkt per Automat zur Verfügung? Das Café Diglas erklärt ihren neuen Lebensmittelautomaten in der Schottengasse als Antwort auf Lokalschließungen im Zuge der Coronapandemie. Somit wird die Küche genutzt, und den Kund_innen wird es ermöglicht, ohne viel Aufwand Traditionsgerichte zu Hause zu genießen. Lange vor der Coronapandemie hat sich die Bäckerei Felzl mit ihren mittlerweile berühmten Brotautomaten in der Schottenfeldgasse und Kaiserstraße in das Automatengeschäftsfeld begeben. Dadurch soll dem Wegwerfen der übrig gebliebenen Backwaren ein Ende bereitet werden, die Bäckerei will sich so gegen Lebensmittelverschwendung positionieren. Offen bleibt jedoch, was mit den Resten aus den drei weiteren Filialen passiert und wie viel Ware wirklich per Automatenverkauf vor dem Schlechtwerden gerettet wird.
Experte Ferry Ebert schätzt den Automatenverkauf in der Regel als nicht sonderlich lukrativ ein. Während der Automat selbst nicht zwingend gewinnbringend ist, macht er dennoch gute Werbung für das Unternehmen dahinter. Er lockt potenzielle Kund_innen in die Geschäfte während der regulären Öffnungszeiten und kann als kreatives Werbemittel rund um die Uhr dienen. Davon abgesehen versteht sich der Verkauf durch Automaten auch oft als reiner Service und nicht als gewinnbringender Geschäftszweig, gerade wenn der Leberkäse oder die Fertiggerichte im Laufe der Nacht keine Abnehmer_innen finden.
Das Automatengewerbe. Der Großteil der Automaten wird von Unternehmen betrieben, welche ohnehin ein Gastro- oder Handelsgewerbe sind, hier ist keine explizite Berechtigung nötig. Wenn ein Restaurant einen Apparat für Tafelspitz oder eine Radwerkstatt einen für Fahrradschläuche aufstellen will, muss nur der Standort an das jeweilige Bezirksamt gemeldet werden. Diese Meldung wird dann im Gewerbeinformationssystem des Bundes beim jeweiligen Unternehmen hinterlegt.
Nach Auskunft der zuständigen Behörde seien derzeit in Wien nur wenige Gewerbeberechtigungen aktiv, die ausschließlich für das Aufstellen und Befüllen von Automaten gelten würden. Bei einer solchen Berechtigung handelt es sich um ein freies Gewerbe. Das bedeutet, dass abgesehen von formalen Voraussetzungen, wie das Beantragen, keine weiteren Kenntnisse vorgebracht werden müssen.
Kontrolliert werden die aufgestellten Automaten vom Marktamt. Bei der Auswahl der Ware sind hier der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Und es gelten die gleichen Vorschriften wie beim regulären Handel, etwa beim Jugendschutz mit den damit verbundenen Altersbeschränkungen oder etwa bei medizinischen Produkten, die nur mit einer speziellen Bewilligung verkauft werden dürfen.

Die Zukunft der Automaten.

Weitere Motive, um einen Automaten zu betreiben, wären Aufmerksamkeit zu erzeugen oder, eher gegenteilig, um eine gewisse Anonymität zu bieten. Für manche Unternehmen ist es daher Marketingstrategie, die eigenen Produkte rund um die Uhr zur Verfügung zu stellen. Während Zigarettenautomaten schon lange zum Stadtbild gehören und man an ihnen achtlos vorbeigeht, bleibt man bei einem außergewöhnlichen Gerät hingegen durchaus einmal stehen. Man ist zum Beispiel fasziniert von der Möglichkeit, sich die Pizza von einem Automaten backen zu lassen. Selbst bei jenen, die bei solchen Geräten den Kopf schütteln, bleibt der Automat in Erinnerung. Oder er verschafft Diskretion. Auch wenn das Internet mittlerweile viele Möglichkeiten zum mehr oder weniger geheimen Shopping bietet, könnte es in Zukunft weiterhin einen Markt für den Vertrieb durch Automaten geben. So werden beispielsweise immer mehr Automaten mit einem schlichten Design für den Verkauf von CBD-Produkten montiert, um die verruchteren Produkten von heute unauffällig bei einem nächtlichen Spaziergang erwerben zu können.