Auf Rädern zum Essentun & lassen

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Jeden Tag kommt das Essen auf Rädern ins Wohnzimmer von Frau Gruber. Ihr Mann ist vor zwei Jahren gestorben, die Kinder arbeiten und wohnen in der fernen Stadt. Frau Gruber nimmt den Löffel in ihre schon ein wenig zittrige Hand und beginnt die heiße Suppe vorsichtig in ihren Mund zu schieben. Sie ist allein. Das Alleinsein belastet sie, die einsamen Mahlzeiten bedrücken.
Im Dorf hat zur selben Zeit eine Initiative begonnen, zu fragen, was alte Leute denn eigentlich selber wollen und brauchen. Auch Frau Gruber beantwortet die Fragen, viele andere in der oberösterreichischen Ortschaft Bad Zell ebenfalls. Bei Versammlungen am Gemeindeamt, im Pfarrsaal, im Wirtshaus und im Haus für Senior_innen wird diese eine Frage diskutiert: Was braucht´s?
Ein Ergebnis: Ein Mittagstisch wird im Dorfwirtshaus eingerichtet. Auf Rädern eines Mitfahrdienstes fahren Frau Gruber und andere Senior_innen zum Gasthaus anstatt das Essen auf Rädern zu ihnen. Die Befragungen haben ergeben, dass sich ältere Menschen ein gemeinsames Essen wünschen, der Wirt macht einen guten Preis, die Gemeinde organisiert einen Taxidienst, damit die oft schon gebrechlichen Leute zum Mittagstisch auch kommen können. Nach dem Essen wird noch Karten gespielt oder einfach geplaudert.
Klingt so einfach, eine solche Lösung war aber jahrelang nicht am Schirm. Zum einen, weil niemand die Betroffenen gefragt hat, zum anderen, weil niemand organisiert und finanziert hat. Und noch etwas Drittes spielt mit: Der überall verwendete Slogan «mobil vor stationär» trifft nicht den Punkt. Essen auf Rädern ist ein mobiler Dienst, was aber oft fehlt, ist die Anbindung an die Gemeinde, ans Grätzl, an den Bezirk, an die Community. Viele mobile Dienste sind zentralistisch, mit hoher, «fabrikartiger» Zerstückelung und Zeitdruck organisiert. Das Gasthaus in diesem Fall ist eigentlich eine «stationäre» Einrichtung.
Wie finanzieren wir Pflege und solche Angebote? Am besten wohl doch über Steuern. Das Institut für Höhere Studien (IHS) betont, dass eine Umstellung auf ein Modell, das primär über Sozialversicherungsbeiträge finanziert wird, «nicht die optimale Lösung» sei, da es sich negativ auf die Lohnquote auswirken würde. Auch seien derartige Modelle stärker von konjunkturell bedingten Entwicklungen des Arbeitsmarktes abhängig. Um 4,9 Milliarden Euro an Pflegeausgaben als Pflegeversicherung zu finanzieren, braucht es mindestens vier Prozent Aufschlag auf die Arbeitskosten. Das belastet den Faktor Arbeit deutlich. Auch aus einer Gerechtigkeitsperspektive sind Steuern das zu bevorzugende Modell. Die Sozialversicherung wirkt in Österreich regressiv, belastet untere Einkommen also stärker als obere. Mit der Höchstbeitragsgrundlage werden noch dazu höchste Einkommen ausgenommen. Steuern hingegen sind progressiver und bilden Beiträge stärker nach der Leistungsfähigkeit ab, zusätzlich sind vermögensbezogene und Kapitalerträge möglich. Für eine gute und leistbare Pflege müssen wir auch auf die gerechte Finanzierung schauen, die das untere Einkommensdrittel nicht noch weiter belastet und das oberste nicht aus seiner Verantwortung entlässt. Für ein gutes Angebot von Pflege und Betreuung gilt dasselbe. In Bad Zell hat man damit begonnen.