Aufgezählt und angezähltvorstadt

Tierpflegerin Denise Diederich registriert Humboldt-Pinguine im Tiergarten Schönbrunn (Foto: © Daniel Zupanc)

Inventuren kann niemand entkommen. Auch Tiere, ob im Zoo oder in der freien Wildbahn, werden Jahr für Jahr gezählt und registriert.

Mit den Elefantenkühen Tonga, Mongu, Iqhwa und Numbi ist es ein Leichtes, die Tiere im Tiergarten Schönbrunn zu zählen. Eins, zwei, drei und vier. Auch die beiden ­Großen Pandas, Yang Yang – «sie hat eine ­schmale ­Schnauze und runde Mickey-Mouse ­Ohren» – und Yuan Yuan – «er ist sanftmütig und schlau» – sind, dank exakter Beschreibung auf der ­Website des Zoos, mit einem Blick zu erfassen. Fünf, sechs. Schwieriger sind die zappeligen ­Pinguine, oder gar die Fische – die schwimmen immer davon. Immerhin haben heuer die geduldigen Tierpfleger:innen 3.053 Fische, große und kleine, zählen können. Sie machen das Gros der 469 Schönbrunner Arten und Rassen der Wirbeltiere mit 5.911 Spezies aus. Die aktuellen Zahlen mit Stichtag 31. Dezember 2022 im ältesten Zoo der Welt können sich sehen lassen: 7.749 Tiere aus 649 Arten. Zählungen im Zoo zeigen Jahr für Jahr, dass etliche der Tiere angezählt sind, weil ihr natürlicher Lebensraum schwindet. Die traurige Konsequenz: Sie stehen als «bedroht» auf der Roten Liste. Durch Zoohaltung können bedrohte Arten unter Betreuung gezüchtet und vor der Ausrottung bewahrt werden. Wiens Stolz sind die Großen Pandas, die hier geboren und großgezogen werden, und dann – jeweils mit medialem Wirbel – nach ­China fliegen und dort ausgewildert werden.
Abseits des Zoos, einer umzäunten Oase der Artenvielfalt, wird in der einstigen Reichshaupt- und Residenzstadt seit Kaisers Zeiten jährlich ­berichtet, ­gezählt und ausgewertet. War es ­zunächst der Administrations-Bericht des Wiener Bürgermeisters, ist heute das jährlich erscheinende Statistische Jahrbuch der Stadt Wien das Maß aller ­Vergleiche und verlässliche Quelle amtlicher ­Natur. ­Gezählt werden natürlich auch Menschen. Die jüngste Ausgabe des Statistischen Jahrbuchs für 2022 nennt 1.931.593 Personen. Wir wollen sie als menschliche Konstante nehmen und mit tierischen Zahlen vergleichen.

Auslauf

In der urbanen Tierwelt haben Hunde vielfach menschliche Dimensionen erreicht. Sie sind (hunde-)steuerpflichtig, benötigen in den Öffis einen (Halbpreis-)Fahrschein, verkehren in ­eigenen Bereichen (Hundezonen). Selbst nach dem Tod ist ihnen ein würdevolles Grab sicher, sofern das Herrl oder Frauerl das dafür nötige Kleingeld aufbringt. Sogar Urnenbestattung ist möglich.
Zu den Zahlen. Per 1. September 2022 waren in Wien 56.792 Hunde registriert, die meisten (8.956) in der Donaustadt, auf den Plätzen 2 und 3 folgen Floridsdorf (7.271) und Favoriten (5.035), die wenigsten (479) gibt es in der ­Inneren Stadt. Vergleicht man die Zahl der ­Hunde mit den Einwohner:innen, würden sich in ganz Wien 34 Wiener:innen einen Hund oder eine Hündin teilen. In der ­Inneren Stadt ­kommen 33 Menschen, in Favoriten 42 auf ­einen Hund. Doch wie geht’s den Hunden in den ­Bezirken? Auch hier leisten die Magis­tratsabteilungen der Stadt Wien ganze Arbeit. Sie haben penibel errechnet, wie viel Auslauffläche den Hunden zur Verfügung steht. Die ­Hunde aus dem 7. Bezirk (Neubau) sind die ärmsten Hunde, bloß 1,2 m2 stehen ihnen zur Verfügung. Gut haben es die Hunde der Leopoldstädter:innen, sie freuen sich über 126,9 m2 Auslauf, vorwiegend im Prater. Auch Hundekotsackerlspender werden erfasst. In der ­Leopoldstadt gibt es 201 von ihnen. Hier rangiert – hochgerechnet auf die Bezirksfläche – Neubau an erster Stelle mit 19.855 m2 (= knapp zwei Hektar) pro Hundekotsackerlspender, die wenigsten gibt es in der Donaustadt. Hier ist die Fläche für einen Hundekotsackerlspender mehr als zehnmal größer (215.822 m2).

Abschuss

Sind Hunde als Haustiere in der Wahrnehmung omnipräsent, stellen Wildtiere, Füchse, Hasen, Rehe, Hirsche oder Wildschweine eine große Unbekannte dar. Gezählt werden nicht die lebenden Tiere, sondern die gejagten, sprich: die «waidmännisch» erlegten. Dazu muss man wissen, dass es in Wien nicht nur rund 700 Hektar Weinbaufläche gibt, sondern auch 33 gesetzlich ausgewiesene Jagdgebiete mit einer Fläche von 16.561,4 Hektar, was 39,9 Prozent der Gesamtfläche Wiens entspricht. Bei ­Abzug der Jagdruhensgebiete wie Donauinsel oder Prater bleiben immerhin 13.143,6 ­Hektar übrig.
Neben Abschüssen wird auch Fallwild gezählt, hier werden neben Tieren, die im Straßenverkehr umkamen, auch «sonstige Verluste» zusammengefasst. 2021 gab es 3.022 Abschüsse und 920 Tiere in der Kategorie Fallwild (davon: 245 Straßenverkehr, 675 «sonstige Verluste»). Bei den verkehrstoten Wildtieren waren Rehe (91 Stück) gefolgt von Hasen (62) führend.
Und wie sieht die Strecke der erlegten Tiere aus? Die Zahlen des Jahres 2021 zeigen – im Vergleich mit den Vorjahren – differenzierte Bilder und interessante Trends. Nummer 1 der erlegten Tiere sind Wildschweine (1.621). Das ist ein markanter Anstieg für 2021, denn im langjährigen Durchschnitt (2013 bis 2020) waren es nur 1.192 Wildschweine. Ähnlich ist auch der Anstieg bei den Rehen. Wurden 2021 insgesamt 508 Rehe zur Strecke gebracht, waren es in den Jahren 2013 bis 2020 im Jahresschnitt 388. Beim Federwild dominieren Fasane mit 176 Abschüssen (2021). Dies entspricht einem rückläufigen Trend, denn im Vergleichszeitraum 2013 bis 2020 ­waren es im Jahresschnitt 239 ­Fasane. Noch ­deutlicher ist der Rückgang beim Rebhuhn. 2021 ­wurde kein einziges geschossen. Das ist gut so, denn Rebhühner sind höchst schutzwürdig und ­gefährdet. Laut BirdLife Österreich ­stehen sie auf der Roten ­Liste der ­gefährdeten Arten. Die ­Bestände des Rebhuhns nahmen in den letzten 20 Jahren um rund 80 Prozent ab. Dies gilt auch in Wien, wie statistische Auswertungen belegen. Wurden in den Jahren 2013 bis 2016 noch 15 Rebhühner im Jahresschnitt geschossen, war es im darauffolgenden Vierjahresschnitt (2017 bis 2020) nur mehr eines.

Zilpzalp

Anders als bei den Wildtieren, die nur als tote Tiere Eingang in die Statistik finden, ist es bei den Vögeln. Die jährlich Anfang Jänner stattfindende «Stunde der Wintervögel» ist eine der größten Citizen-Science-Aktionen des Landes. Innerhalb definierter Tage rund um das Dreikönigs­wochenende nimmt man sich eine ­Stunde Zeit und zählt, egal ob am ­Fenster, im ­Garten oder Park, Vögel. Die Anlei­tung von BirdLife Österreich ist einfach: «­Melde pro Vogelart die jeweils gleichzeitig ­gesichtete Höchstzahl!». In Wien zählten 2.431 Teil­nehmer:innen insgesamt 28.977 Vögel. Platz 1 nimmt Parus major, die ­Kohlmeise, mit 5.496 Sichtungen ein. Platz 2 ist mit 2.809 Aaskrähen deutlich abgeschlagen, knapp gefolgt von den Spatzen (2.675). Die Schlusslichter auf den Plätzen 55 bis 58 sind: Girlitz, Habicht, Bluthänfling und Zilp­zalp, mit je einem Vogel.
Die Zählungen erfreuen sich bei der ­Bevölkerung zunehmender Beliebtheit und zeigen – zusammen mit anderen wissenschaftlichen Monitoringkampagnen – im langjährigen Vergleich deutliche Trends. Daraus resultiert die Kategorisierung der heimischen Brutvögel nach ihrer Schutzbedürftigkeit. Die Sorgenkinder des Vogel­schutzes sind 103 von insgesamt 212 Brutvogelarten. 27 Arten sind angezählt, sie fallen unter die Kategorie der höchsten Schutzbedürftigkeit und sind auch in der Roten Liste zu finden. Hier sind auch die einst in Wien weit verbreiteten Rebhühner gelistet. Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre registrierte man noch rund 1.000 Rebhühner (Abschuss und Fallwild) pro Jahr.

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