AUGUSTIN rechnete nach:tun & lassen

Was kostet die Freie Fahrt?

„Freie Fahrt für Obdachlose und SozialhilfebezieherInnen? Prima Idee. Da sind wir natürlich auch dafür. Aber leider: Wer soll das bezahlen?“ So tönt es uns seit Monaten aus dem Rathaus entgegen. Da helfen wir gerne: den finanziellen Unterschied zur aktuellen Situation nehmen wir auf uns. Gerne sogar. Die Rathausgewaltigen dürfen die ersparte Summe auf unser Konto überweisen.Die Wiener Linien sind ausgegliedert und werden nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführt. Sie haben in der Hauptsache zwei Einnahmequellen: die Erlöse aus dem Transport der Fahrgäste (also aus den verschiedenen Fahrscheingebühren) und die Beiträge der Gemeinde Wien. Besondere Förderungen des Bundes für den U-Bahnbau können wir hier vernachlässigen. Dabei macht der Erlös aus dem Fahrscheinverkauf grob gerechnet ein Viertel des Budgets aus. Die Gemeinde Wien zahlt drei Viertel. Man kann also sagen, dass die Verkehrsbetriebe ein privatwirtschaftlich geführter Betrieb sind, der aus Mitteln der Steuerzahler finanziert wird mit einem ca. 25% igen Selbstbehalt der Fahrgäste.

Der Anteil der Fahrgäste die auch diesen Selbstbehalt nicht zahlen, also schwarzfahren, wird auf 10 bis 15% geschätzt. Ein Teil dieser SchwarzfahrerInnen sind Obdachlose und SozialhilfeempfängerInnen. (Ein geringer Teil der SozialhilfeempfängerInnen zahlt natürlich auch jetzt ständig oder manchmal. Angesichts der finanziellen Situation dieser Menschen ein ungewöhnlich großes und unzumutbares Opfer.)

Kosten

Sehen wir uns genauer an, welche Kosten und Einsparungen durch freie Fahrt für Obdachlose und SozialhilfeempfängerInnen entstehen werden. Zusätzliche Kosten für die Verkehrsbetriebe: null. Es kann davon ausgegangen werden, dass kein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz dafür geschaffen werden muss, kein Autobus mehr angeschafft werden muss. keine Schiene mehr verlegt werden muss usw.. Vermutlich würden ein paar Sozialhilfeempfängerinnen ein paar Fahrten mehr unternehmen als bisher, was angesichts der geringen Zahl (maximal zwölftausend) nicht ins Gewicht fällt.

Zusätzliche Kosten für die Gemeinde: Die Produktion von Gratis-Monatskarten und der administrative Aufwand der Verteilung. Man kann die Verteilung von Gratis-Monatskarten als Teil der Sozialhilfe ansehen, (und administrativ wäre es wahrscheinlich am einfachsten, wenn man dort, wo man seine Sozialhilfe abholt automatisch eine Monatskarte bekommt). Das bedeutet praktisch keinen finanziellen Aufwand. Die Produktion von Zeitkarten und Marken kann bei maximal 140.000 Fällen (12000 SozialhifebezieherInnen mal zwölf Monate) im Jahr kaum mehr als 250.000 Schilling kosten.

Einnahmeverlust für die Verkehrsbetriebe: lässt sich nicht genau quantifizieren. Wenn wir annehmen, das 20 % der SozialhilfeempfängerInen bisher ihre Fahrten bezahlt haben (wahrscheinlich eine zu hohe Zahl), können wir folgende Rechnung anstellen: 2400 SozialhilfeempfängerInnen mal den Ertrag, den die Verkehrsbetriebe von einer Jahreskarte lukrieren. Vermutlich sind dabei 3000 Schilling pro Jahreskarte eine eher übertriebene Schätzung. Macht also maximal 2400 mal 3000 ist 7,2 Millionen Schilling im Jahr an Einnahmeverlust.

Einsparungen

Zur Zeit entstehen folgende Kosten: Der Aufwand der Kontrolle (inklusive „Fangprämie“), die Administration (Ausschicken von Erlagscheinen, Mahnungen), Unter Umständen Personenfeststellung, dazu Gerichtskosten, Exekutionskosten. Dazu kommen erneute Gerichtskosten, Kosten für Haftstrafen. All das macht schon eine erkleckliche Summe aus. Dazu kommen aber noch die indirekten Kosten. Ein Schippel Schulden sind natürlich ein gewaltiges Integrationshindernis. Ein großer Teil aller Obdachlosen hat (zum Teil sehr hohe) Schulden als Folge fahrscheinlosen Fahrens. Diese Menschen sind ständig von Haftstrafen bedroht. Sollten sie arbeit bekommen, und endlich wieder Geld verdienen, steht der Exekutor schon vor der Türe.

Gegen jede wirtschaftliche Vernunft

Die Gemeinde gibt mit der einen Hand (Sozialamt) viele Millionen aus, um den ärmsten wenigstens ein dünnes soziales Netz zu bieten, und verkündet vollmundig einen „Stufenplan gegen Obdachlosigkeit“ mit „Reintegration als obersters Ziel“, und konterkariert mit der anderen Hand (Verkehrsbetriebe) diese Bemühungen heftigst. Der Schaden der dadurch entsteht, macht sicher ein vielfaches der oben errechneten 7,2 Millionen Einnahmen aus. An dieser Stelle soll gar nicht auf die moralische Seite eingegangen werden. Hier wollen wir zeigen, daß dieser Zustand reine Geldvernichtung bedeutet und gegen jede wirtschaftliche Vernunft ist.

Rosstäuscherei

Also: Freie Fahrt für Obdachlose und SozialhilfeempfängerInnen kostet nichts, sondern bringt etwas. Warum redet der Sozialreferent des Bürgermeisters, Harald Kaltenböck, dann von 50-70 Millionen jährlich, die man eben nicht habe? Die Rechnung ist einfach: Die Zahl der betroffenen mal den Kosten von Monatskarten im normalen Verkauf, also inklusive Mehrwertsteuer und Verwaltungsaufwand. Diese Summe müsse den Verkehrsbetrieben als Ausgleich bezahlt werden. Nach dieser Logik könnte man die Zahl auch noch gehörig höher ansetzen, wenn man statt der Monatskarten Einzelfahrscheine, die im Fahrzeug gelöst werden, rechnet. Tatsächlich ist es aber so, dass die betroffenen Menschen auch schon jetzt von den Verkehrsbetrieben befördert werden. Die Kosten, die daraus entstehen, werden auch schon jetzt von der Gemeinde getragen, da ja die Gemeinde den Betrieb der Verkehrsbetriebe finanziert. Wenn also die betroffenen Menschen, statt schwarz zu fahren, mit einer Monatskarte des Sozialamtes gratis fahren, hat sich für die Verkehrsbetriebe finanziell nichts geändert, und sie haben daher auch keinen Anspruch auf eine zusätzliche Abgeltung. Hier wird Rosstäuscherei betrieben: Ein Betrag, der schon jetzt in der jährlichen Zuwendung für die Wiener Linien enthalten ist, soll auf einmal als Sozialabgabe herausgenommen werden und ist plötzlich nicht finanzierbar. Daher besteht auch die Gefahr, dass, sollte es doch endlich zu einer Lösung kommen, dieses Geld aus dem Sozialbudget genommen wird und als „Sondersubvention“ für die Verkehrsbetriebe missbraucht wird. Wir werden weiter für eine gerechte Lösung kämpfen.

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