Aus dem Leben eines Puppenspielerstun & lassen

Michael Tojner, nächster Akt. Bei einer Razzia wurd ein veritabler Datenschatz sichergestellt. Das Material erschüttert die Verteidigungsstrategie des Finanzinvestors.

Text: Ashwien Sankholkar, Illustration: Silke Müller

Die Berufsbezeichnung Immobilienkaufmann ist ihm wie auf den Leib geschrieben. Der 50-jährige Heini Hoisel (Name v. d. Red. geändert) ist eine große Nummer am Wiener Häusermarkt. Wer durch die Hauptstadt spaziert, erblickt oft seine Initialen auf alten Zinshäusern. Das jüngste Projekt von Hoisel & Partner steht im historischen Kern Wiens. Wenige Gehminuten von Freyung, Graben und Kohlmarkt entstehen 73 Luxusappartements. Die größte Wohnung im Dachgeschoß mit einer Fläche von 240 Quadratmetern kostet wohlfeile 4,5 Millionen Euro. Wenige Objekte sind noch zu haben, die meisten sind schon verkauft. Hoisel schürft nicht nur Betongold. Er gilt auch als vorsichtiger Kaufmann, der um krumme Geschäften einen großen Bogen macht. Das erspart ihm blöde Fragen von penetranten Polizist_innen und peinliche Ausreden für reiche Klientinnen, die Diskretion schätzen. Das Vorsichtsprinzip bewahrte ihn lange Zeit vor Troubles. Bis ihm vor kurzem der Konflikt eines guten Freundes eine Zeugenladung in einem Kriminalfall bescherte.

Eine Schatzkiste voller Daten.

Worum geht’s? Der Finanzinvestor Michael Tojner steht seit 2019 im Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die ermittelt wegen Betrugs- und Untreueverdacht bei Geschäften rund um gemeinnützige Wohnbauträger. Bis 2010 waren Hoisel und Tojner, der als Entwickler des umstrittenen Heumarkt-Projekts für Aufregung sorgte, noch Geschäftspartner. Danach wurde die Businessrelation der Best Buddies stufenweise heruntergefahren. Die geschäftliche Entfremdung soll mit Tojners Masterplan für die Übernahme der Gemeinnützigen zusammenhängen. Mit Heini Hoisel wird nach Günther Kerbler der zweite Star der Wiener Immobilienszene in die Affäre Tojner hineingezogen. Hoisel: «Ich bitte um Verständnis, dass ich aufgrund meiner Zeugenstellung im gegenständlichen Verfahren keinerlei inhaltliche Stellungnahme zu den Themen des laufenden Ermittlungsverfahrens abgeben kann.» Mit echtem Namen will der schillernde Immobilienentwickler ausdrücklich nicht genannt werden.
Das AUGUSTIN und DOSSIER exklusiv vorliegende Einvernahmeprotokoll von Heini Hoisel enthält einige Überraschungen. Die dreistündige Befragung stützt sich auf einen elektronischen Datenschatz, der bei einer Razzia gehoben wurde. Die Dateien sind ein Zufallsfund auf einem alten Computer von Fritz N., einem Freund und Geschäftspartner von Michael Tojner. Was die Korruptionsjäger so entzückte: Fritz hatte alles aufgehoben, was ihm Tojner seit 2009 persönlich geschrieben oder in Kopie geschickt hatte, darunter Aktenvermerke, Briefe und E-Mails sowie Entwürfe zu Darlehens-, Gesellschafts- und Treuhandverträgen. Wie ein forensischer Gegencheck des Bundeskriminalsamts ergab, dürften die beim «lieben Fritz» gesicherten Daten von Tojners Firmenservern in Wien-Mariahilf gelöscht worden sein. Zu Fritz‘ Fund­stücken gehört auch die Korrespondenz mit Hoisel, die ihm Tojner «zur Information» oder «zur Vorbereitung» weiterleitete. Die Protokolle entlarven Tojner als Puppenspieler, der Marionetten wie «Fritzi» durch heikle Transaktionen tanzen lässt.

Leichtes Spiel im Burgenland.

Das Hoisel-Protokoll vom 25. Februar 2020 ist zwölf Seiten lang. Einleitend erklären die Ermittler_innen den Hintergrund der Befragung: «Es besteht der Verdacht, dass Wohnhäuser der ehemals gemeinnützigen Gesellschaften Pannonia (früher Aichfeld, später Buntes Wohnen), Riedenhof und Gesfö unter Ausschaltung des freien Wettbewerbs (…) verkauft wurden. Der Verkauf dieser Wohnhäuser dürfte bewusst nicht zu Marktpreisen erfolgt sein, um das Vermögen der ehemals gemeinnützigen Gesellschaften in den Machtbereich des DDr. Tojner zu verschieben, obwohl dies nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz nicht zulässig gewesen sein könnte.» Tojner-nahe Firmen sollen dabei Millionenprofite eingestreift haben.
Laut Verdacht der Staatsanwaltschaft soll mit Hilfe willfähriger Gutachter das Vermögen der Wohnbaufirmen Pannonia, Gesfö und Riedenhof zu niedrig bewertet worden sein, um dann billig an Tojner-nahe Firmen verkauft werden zu können. So entstand dem Land Burgenland ein Schaden von mehr als 100 Millionen Euro (s. AUGUSTIN Nr. 500, Februar 2020). Tojner-Anwalt Karl Liebenwein bestreitet die Vorwürfe. Alle Bewertungen seien korrekt erfolgt, und die Fehler würden beim Land liegen. Ein Bericht des burgenländischen Landesrechnungshofs stützt Liebenwein. Darin werden die Machthaber in Eisenstadt massiv kritisiert: «Das Land Burgenland wickelte die Entziehungsverfahren nicht ordnungsgemäß ab. Als Aufsichtsbehörde (war es) vor allem verpflichtet, im Rahmen des Verfahrens den maßgebenden Sachverhalt festzustellen. Das Land Burgenland kam dieser Verpflichtung nicht mit der gebotenen Sorgfalt nach. Dies führte zu zahlreichen Verfahrensmängeln sowie aktenwidrigen und fehlerhaften Bescheiden.»
Vielleicht nutzte Michael Tojner geschickt Gesetzeslücken aus, so wie es viele erfolgreiche Unternehmer_innen tun? Dann wäre die Sache wohl nicht strafbar. Doch Tojner steht auch unter Verdacht, von Anfang an mit falschen Karten gespielt zu haben. Die Deals wollte er über ein komplexes Netzwerk von Treuhändern und Mittelsmännern abwickeln sowie über Darlehens- und Optionsverträge absichern, so der Verdacht der WKStA. Zuerst wurden Testballons in Oberösterreich und Wien gestartet. Dort zeichnete sich Widerstand ab. Die Burgenländer unter dem früheren Landesvater Hans Niessl (SPÖ) drückten ein Auge zu. Darum wurden die Wohnbaufirmen schließlich nach Eisenstadt übersiedelt, wo die Immobilien nach der Aberkennung des Gemeinnützigkeitsstatus sukzessive heraus­geschält wurden.

Gesetzlich nicht zulässig.

Das Miss­management im Land ist der zweite Skandalstrang in der Affäre Tojner, der noch aufgearbeitet werden muss. An der «Mastermind-Theorie» des Staatsanwalts ändert das wenig. Aus den bei Fritz N. sichergestellten Aktenvermerken geht eindeutig hervor, dass Michael Tojner die Übernahme der Riedenhof-Genossenschaft seit 2009 minutiös geplant hatte. Tojners Idee war waghalsig: Nicht er persönlich wollte Riedenhof übernehmen, sondern eine von ihm finanzierte und über einen Strohmann gegründete gemeinnützige Privatstiftung. So bliebe er der ultimative Machthaber, ohne öffentlich in Erscheinung zu treten. Selbst bei Auflösung der Stiftung hatte er vorgesorgt: Das Immobilienvermögen würde in seiner Sphäre landen. Zusätzlich wäre alles personell abgesichert: Ein Freund von Tojner würde die Stiftung gründen, und der Stiftungsvorstand wäre ebenfalls nur mit Tojners Konfidenten besetzt.
In einem E-Mail vom 25. September 2009 an Heini Hoisel prahlt Tojner: «Betreffend Riedenhof wäre meine Idee, dass ein Neutraler (…) zur Absicherung in den Stiftungsvorstand geht. Bei ihm eine Vereinbarung hinterlegt wird (sonst nirgends), damit die Linie klar ist. (…) Ich will aus rechtlichen Überlegungen (Strafrecht) auch keine große Dokumentation.» Die Ermittler fragen Hoisel: «Welche strafrechtlichen Überlegungen spricht Tojner in diesem Mail an?» Hoisel laut Protokoll: «Aus dem Mail sieht man, dass es offensichtlich die Gedanken des DDr. Tojner waren, die auf meiner Seite so sicher nicht umgesetzt wurden. Zur Frage nach den strafrechtlichen Überlegungen habe ich keine Erinnerung.» Die Ermittler helfen Hoisel auf die Sprünge: Sie legen eine von Tojner und ihm unterfertige Briefkopie aus Fritzis Datenschatz vor.
In dem von Tojner verfassten Aktenvermerk vom 3. Dezember 2009 über ein Gespräch mit Hoisel geht es abermals um den Riedenhof-Takeover. Die Polizist_innen zu Hoisel: «Auf dem Schreiben findet sich eine handschriftliche Anmerkung. Wer hat diese angebracht und was steht dort? Wurde der im Aktenvermerk festgehaltene Plan von DDr. Tojner und Ihnen umgesetzt?» Hoisel laut Protokoll: «Der handschriftliche Vermerk stammt nicht von mir und dürfte von DDr. Tojner stammen. Für mich sagt dieser Vermerk: ‹sofern dies rechtlich möglich ist›. Dieser Aktenvermerk stammt aus einer Zeit, in der wir Überlegungen zur Übernahme des Immobilienpakets Riedenhof angestellt haben. Dieser Plan wurde, wie oben von mir schon mehrfach gesagt, von mir nicht umgesetzt, da es gesetzlich nicht zulässig war, die Riedenhof zu übernehmen. Ich habe keine Kenntnis, ob DDr. Tojner alleine oder mit anderen Partnern den Plan umgesetzt hat.» Hoisel ließ die Finger von Riedenhof und Co.
Tojner hingegen hielt an seinem Masterplan fest und versuchte Heini immer wieder ins Boot zu holen. Den Polizist_innen liegt ein Tojner-Brief vom 28. April 2010 vor, wo er auf Hoisels «ungutes Gefühl betreffend Riedenhof» eingehen will: «Bei der Riedenhof wird es so sein, dass Fritz N. über eine Gesellschaft kauft. Er muss allerdings vor dem Landeshauptmann erklären (die Genehmigung eines Genossenschaftskaufs geht durch den Landtag), dass er diese Anteile nicht treuhändig für wen anderen hält und keine Vereinbarungen darüber getroffen hat. Daher wird Fritz keinerlei Vereinbarung mit uns unterschreiben.» Nachsatz: «Ich kenne Fritz natürlich viel besser als Du und habe auch gewisse Druckmittel gegen ihn in der Hand.» Womit Tojner den «lieben Fritz» das Fürchten lehrte, ist auch Hoisel nicht bekannt.

Wandern auf schmalem Grat.

Für den Puppenspieler war Fritz N. die ideale Marionette. Im Jahr 2011 übernahm er Riedenhof (831 Wohnungen) von der Austria Tabak, und wenig später kaufte er die Wohnbaufirma Gesfö (764 Wohnungen) von Oberbank und Bank Austria. Schließlich kam beim Erwerb der Genossenschaft Buntes Wohnen (später: Panonnia) der Stiftungstrick aus 2009 zur Anwendung.
Vom Einstieg bis zum Ausstieg zog Tojner die Strippen, so der Verdacht des Staatsanwalts.. In einem Aktenvermerk vom September 2012 zur «Strategie Riedenhof» wird das deutlich. Fritz N. brauchte eine Handlungsanleitung, und Tojner schrieb das Drehbuch. Zitat aus der Aktennotiz: «Wenn die Frage auftaucht, warum er die Genossenschaft nicht an eine andere Genossenschaft verkauft hätte, kann man mitteilen, dass man Eigentümer-Interesse hat, und dass es offensichtlich kein geordnetes Verfahren über die Zurücklegung des Genossenschaft-Status gibt und man die Ausgleichszahlung leisten werde.»
Bei Michael Tojners Gratwanderung wollte Heini Hoisel jedenfalls nicht dabei sein. «Wir waren niemals an einer gemeinnützigen oder ehemals gemeinnützigen Gesellschaft beteiligt», gab Hoisel zu Protokoll. «In einer frühen Phase dieser Überlegungen stellten wir fest, dass aufgrund der Beschränkungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) eine Übernahme der Riedenhof durch DDr. Tojner und uns nicht möglich war.» Nachsatz: «Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Interesse am Erwerb gemeinnütziger Gesellschaften, nachdem ich erfahren hatte, dass dies Angehörigen des Baugewerbes aufgrund des WGG untersagt wäre.» Deshalb ist Heini Hoisel fein raus, während Michael Tojner eine Anklage droht.

Der Autor ist Chefreporter bei der Rechercheplattform DOSSIER. Das aktuelle DOSSIER-Magazin widmet sich dem Thema Korruption, von Justiz & Polizei über Glock & Novomatic bis hin zu Burgtheater und Skiverband. Sie können DOSSIER unterstützen und Mitglied werden – ab 1 Euro pro Woche – oder das DOSSIER-Magazin um 24 Euro bestellen. dossier.at