Aus für Wiener KunstschuleArtistin

Das unrühmliche Ende des Jahrhundertprojektes einer freien Kunstakademie in Wien

Welch ein cäsarenhafter Zynismus. 2014, exakt 60 Jahre nach der Gründung eines weltweit beachteten Jahrhundertprojektes einer freien Kunstakademie und genau 30 Jahre nach dem Tode der Gründerin wird die Wiener Kunstschule von der Wiener Politik per Subventionsentzug eingestellt.1954 war sie von Gerda Matejka-Felden gegründet worden – unter den Bedingungen des Kalten Kriegs, unter alliierter Besatzung und anderen Schwierigkeiten. Für dieses Engagement wird sie mit höchstem Lob und Auszeichnungen überhäuft, dem Staatspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Volksbildung, sie wird zur ordentlichen Hochschulprofessorin ernannt, vom französischen Erziehungsministerium eingeladen, am Pariser Institut National Vorträge zu halten, und spricht in Moskau an der Akademie der pädagogischen Wissenschaften über moderne Kunsterziehung und Erwachsenenbildung in Österreich. Das Wiener Künstlerhaus zeigt zwei Ausstellungen mit Werken der Jubilarin und ihrer Schüler. Sie wird in den Rang einer Ordinaria erhoben, erhält das goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und das große goldene Ehrenzeichen vom Land Wien. Am Alsergrund gibt es einen Gerda-Matejka-Felden-Park. Die Gründerin der Wiener Kunstschule ist in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof beigesetzt.

Diese für Europa einzigartige Geschichte beginnt also mit einer resoluten Frau, die schon damals gar nicht so recht in ihre Zeit passen wollte (ihre faszinierende Biografie wurde von Karin Nusko recherchiert und auf http://www.univie.ac.at/biografiA/daten/text/bio/matejka-felden.htm nachzulesen), und endet nach Politiker-Plan 2014. Sie hatte beobachtet, dass tausende, die an der «Bildenden» studieren wollten, an der Aufnahmsprüfung scheiterten, wo sie Qualitäten beweisen mussten, die sie erst an der Akademie erwerben wollten. Die engagierte Kunstpädagogin fand also einen Weg, eine freie Akademie zu errichten, ohne Aufnahme-Ritual, ohne Altershöchstgrenze, ohne Meisterklassen, dafür aber mit einem Orientierungsjahr, in dem sich der neue Lernwillige durch die Kunstgattungen schnuppern konnte. So etwas war damals in ganz Europa neu.

Seltsamer Wechsel der Farben

Irgendwann wird die Wiener Kunstschule aus der rot dominierten Wiener Volksbildung geschält, um sie einem schwarz geleiteten «Verein Wiener Kunstschule» zu überlassen. Womit ihre langsame Euthanasierung eingeleitet ist. Der Subventionsträger und Schulerhalter bleibt in jeder Hinsicht wenig ambitioniert. Ihm wird sogar nachgesagt, wichtige Schriftstücke der Schule nicht an die Behörden weitergeleitet zu haben. Schon möglich, dass der Vorstand ein Ausstiegsszenario aus seiner Verantwortung gesucht hat. Sonst hätte er den Betrieb nicht so vernachlässigt, monatelang keine fähige Direktion eingesetzt und das Gespräch mit den Subventionsgebern nicht so gemieden. Die Lehrbeauftragten sind vielfach sich selber überlassen. Das allerdings sollte sich noch als großes Positivum dieses Instituts herausstellen.

Kaum hatten die Wiener Bildungspolitiker ihr wahres Gesicht gezeigt, hatten sie es auch schon verloren. Weshalb der Sündenfall dieser Kindesweglegung erfolgt ist, will keiner der beiden zuständigen Bildungsfunktionäre und -Rädelsführer beantworten. Weder Stadtrat Dr. Michael Ludwig (Leiter des Wiener Dr.-Karl-Renner-Instituts, Bildungssekretär der SPÖ Wien, Vorsitzender des Verbandes Wiener Volksbildung, Vizepräsident der Österreichischen Volkshochschulen) noch Gemeinderat Ernst Woller (Vorsitzender des Wiener Gemeinderatsausschusses für Kultur und Wissenschaft, Vorsitzender des Wiener SPÖ-Bildungsausschusses).

Dass diese freie Kunstakademie künftig ohne Förderungen des Landes auskommen muss, dafür muss allerdings ein anderer sein Politikerhaupt hinhalten, der Stadtrat für Bildung, Jugend, Information und Sport, Christian Oxonitsch. Dieses Multitalent studierte einige Semester Geschichte und Germanistik, war schon Vorsitzender der Bezirksentwicklungskommission in Ottakring, Mitglied im Gemeinderatsausschuss für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung, Präsident des Verbandes der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs, also bestens qualifiziert als oberster Wiener Fachmann für Bildung. Dabei ist Bildung so wichtig. Mangelnde Bildung führt zum Beispiel dazu, dass Politiker ihre eigenen Partei-, Wahl-, und Regierungsprogramme nicht verstehen können.

Die Kunstschule ist jemandem im Weg

Für Außenstehende ist es schwer zu verstehen, warum, durch wessen Schuld und von wem der Wiener Kunstschule die finanzielle Basis genommen wurde. Offenbar ist das, was die Qualität dieser freien Akademie ausmacht, das Freie, gleichzeitig das, was die Politik stört. Ein zwar erfolgreiches, ins österreichische Schulsystem aber schwer einordbares Modell zwischen allen Schubläden ist nicht mehr förderungswürdig. Dabei wäre es so einfach, der Kunstschule aus den Mitteln der Kunstförderung zu helfen.

Auf http://www.kunstschule.at liest sich das etwas ungenau so: «Im September 2013 wurde der Vorstand der Wiener Kunstschule von der bisherigen Förderungsgeberin, Stadt Wien-MA13 informiert, dass sie sich aus der Finanzierung der Schule kurzfristig gänzlich zurückziehen wird. Der Erhalt der Wiener Kunstschule ist jedoch nur über eine kontinuierliche Basisförderung möglich, da die Studiengebühren (900 Euro pro Semester), projektbezogene Förderungen und Kooperationen nur anteilig den notwendigen Finanzbedarf decken. Bisherige Bemühungen (auch über das letzte Jahrzehnt hinweg), die notwendige Finanzierung über zusätzliche Geldgeber, Projekte und Angebote zu gewährleisten, waren nur eingeschränkt erfolgreich und können die nunmehr entstehende Finanzierungslücke bei weitem nicht abdecken. Vor Beginn des Wintersemesters 2013/2014 musste der Vorstand des Trägervereins (Schulerhalter) daher leider die Schließung 2014 bekanntgeben …»

Von der Stadt Wien hört man laut APA hingegen, man habe die Kunstschule aufgefordert, sich um einen qualifizierten Abschluss – beispielsweise durch Umwandlung in ein Kolleg oder eine Fachhochschule – zu bemühen und bis Ende des Jahres ein Konzept für eine solche Reform vorzulegen. Das sei allerdings nie passiert, so die MA13-Leiterin Bauer-Seibek. Dabei hätte die Kunstschule, die einen höheren Budgetbedarf angekündigt habe, dadurch gleichzeitig Zugang zu weiteren Fördermitteln etwa vom Unterrichts- bzw. Wissenschaftsministerium erhalten. Unabhängig davon habe die Stadt die Kunstschule aber weiterhin gefördert und hätte das auch über 2014 hinaus getan, wie Bauer-Seibek betont. Der Vorstand habe allerdings überraschend das Aus beschlossen.

Die letzte jährliche Subvention hatte sowieso nur beschämende 150.000 Euro betragen, um knapp 200 Kunststudierende in acht Semestern auszubilden. Das waren ca. 750 Euro pro Studierende_n. Zur selben Zeit erhalten die vergleichsweise weit weniger erfolgreichen städtischen Musicaltheater 2014 37,1 Millionen Euro (nach 36,35 Millionen Euro im Jahr 2012), einen nicht geringen Anteil des gesamten Wiener Kulturbudgets als Subvention. Zusätzlich werden die Vereinigten Bühnen Wiens für 2014 und 2015 eine Extrasubvention von 4,9 Millionen Euro erhalten. Das wird am 13. Dezember im Gemeindrat beschlossen. Bei 600.000 Besuchern p.a. in Österreich ergibt das lasche 70.000 Euro pro Eintrittskarte.

Die Studierenden hat niemand gefragt

Im November 2013 gab es in Wien laut Oxonitsch mehr als 44.000 Arbeitslose im jugendlichen Alter. Nach Schließung der Wiener Kunstschule werden es um 200 mehr sein. A scho wurscht. Dafür werden von der MA13, der selben, die die Kunstschule mit Liebesentzug straft, für Jugendarbeit, Parkbetreuung, Förderungen aller Arten, 41 Millionen zur Verfügung gestellt, 932 Euro pro jugendlichem Kopf.

Wieder streiten Schulerhalter, Lehrende und Politik, und es ist fast schon egal, wer nach 60 Jahren am Niedergang eines der erfolgreichsten Projekte der österreichischen Bildungslandschaft, der Wiener Kunstschule, schuld ist. Denn in der ganzen Diskussion kommen jene überhaupt nicht vor, denen man die Lebensplanung unter den Füßen weggezogen hat, junge, wissbegierige, künstlerisch ambitionierte und talentierte Menschen, die betroffenen Student_innen. Soweit bekannt, haben bisher fast alle Absolvent_innen ihren Platz in der Kunst gefunden, einige in sehr prominenter Position. Selbstverständlich schließen sich die nun zusammen, um die Erfüllung ihres Vertrages mit dem Schulerhalter einzuklagen, denn jedes Vorstandsmitglied haftet mit seinem Privatvermögen. Ob das Studium und Diplom retten wird, kann bezweifelt werden.

Möglich, dass die derartig vor den Kopf gestoßenen Jugendlichen, die ein Studium begonnen haben und nun nicht regulär abschließen können, aus gutem Grund der Menge jener zuzurechnen sind, die sich angewidert von der Politik abwenden. Eigentlich schade!

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