Aus Wien in und um die Weltvorstadt

Emilie Schmäck (verh. Stregen von Glauburg) (Künstlerin), Ida Pfeiffer, geb. Reyer, Weltreisende, 1844, Wien Museum Inv.-Nr. 93189, CC BY 4.0, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/504715/)

1842 ging die Wienerin Ida Pfeiffer auf ihre erste große Reise. Sie war 44 Jahre alt und wurde zu einer der bekanntesten Reiseschriftstellerinnen ihrer Zeit.

 

Ein schmuckes Elektro-Lasten­rad namens Ida 001 ist als ­mobile Außenstelle des Naturhistorischen Museums im Einsatz. Benannt ist das NHM-Bike nach Ida Pfeiffer (1797 – 1858). Als erster Frau wurde Ida Pfeiffer 1892 ein Ehren­grab auf dem Wiener Zentralfriedhof ­gewidmet. Beinahe hätte ihr Konterfei die 50-Schilling-Scheine geziert, was wegen der Euro-Einführung nicht mehr umgesetzt wurde. Es gibt seit 2018 die «Ida Pfeiffer Professur» der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Uni Wien. Im 3. ­Bezirk trägt ein Durchgang der Sünnhof-Passage seit 2008 den Namen Ida-Pfeiffer-Weg. Ida Pfeiffer ist die Heldin eines Theaterstücks und mehrerer Kinderbücher, wie dem kunterbunten Bilderbuch Ida und die Welt hinter dem Kaiserzipf von ­Linda Schwalbe. Und kürzlich ­hatte ­Petra Zöpneks experimenteller Dokumentarfilm Wer ist Ida? seine Premiere auf der Diagonale.

Eine unermüdlich Reisende

Wer aber war diese Ida Pfeiffer und warum werden ihr mehr als 150 Jahre nach ihrem Tod Ehren dieser Art zuteil? Ida Pfeiffer war eine unermüdlich Reisende, mitunter die erste europäische Frau, die sich in teils unerforschte Gegenden wagte. Sie war Entdeckerin, Schriftstellerin, Ethnografin. Zwischen 1842 und 1858 unternahm die Wienerin mehrere ausgedehnte Reisen, darunter zwei Weltreisen, die sie auf fast alle Kontinente führte, nur Australien, das ­eigentliche Ziel ihrer letzten Reise, konnte sie nicht besuchen. Sie war u. a. in Palästina, ­Skandinavien, Südafrika, Nord- und Südamerika, Indonesien, ­Indien, China, Madagaskar und Mauritius.
Ihre Reiseberichte veröffentlichte sie in Buchform. Schon ihre erste, zunächst anonym erscheinende Publikation Reise ­einer Wienerin in das hei­lige Land erwies sich als veritabler Erfolg. Die Erlöse der Buchverkäufe fließen in ihre Reisebudgets ein. Durch Übersetzungen wurde die reisende Dame auch weit über den deutschen Sprachraum hinaus bekannt. «Ich schildere ­alles, wie ich es ­finde, wie es meinen Augen ­erschien, ­ungeschmückt, aber wahr», schreibt sie in ihrem ersten Buch. Schnörkellos und geradlinig beschreibt Pfeiffer ab Fahrtbeginn ihre Reiseroute, die Art der Fortbewegung, eigenes Befinden, natürlich Landschaft und Architektur, die Menschen und ­deren Sitten und ­Gebräuche, auch gibt sie Kosten etwa für Transport oder Übernachtungen an. Unterwegs ­sammelte Ida ­Pfeiffer Natu­ralien, vor allem Pflanzen und Insekten, hin und ­wieder brachte sie auch ­Artefakte, z. B. Pfeile, mit zurück. Einen Großteil ­dieser Dinge übergab sie an wissenschaftliche Institutionen bzw. verkaufte sie auch an Museen.

Aus eingeschränkten Vorgaben heraustreten

Fast bis ins 20. Jahrhundert war Frauen höhere Bildung oder gar eine wissenschaftliche Karriere (und großteils Berufstätigkeit überhaupt) untersagt und man sprach ihnen die intellektuellen Fähigkeiten zur geistigen Arbeit ab. Die frühen Reiseschriftstellerinnen, wie Ida Pfeiffer eine war, versuchten aus den eingeschränkten Vorgaben ihrer Zeit herauszutreten und erweiterten so die Vorgaben für die nächsten Generationen, meint die Kultur- und Sozialanthropologin Gabriele Habinger, die mehrere Reisebücher Pfeiffers neu ­herausbrachte und mit Eine Wiener ­Biedermeierdame erobert die Welt eine Biografie der Weltreisenden verfasste. «Sie haben das ­rigide Geschlechterkonzept ausgehebelt, weil sie sich ständig in männliche Domänen hineingewagt haben», sagt ­Habinger. Wohl aus Selbstschutz legten forschungsreisende Frauen wie Ida ­Pfeiffer oft ein gewisses Understatement hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Tätigkeiten an den Tag. Pfeiffer schreibt: «Aber ich versteige mich in Vermutungen und Abhandlungen, die wohl gelehrten Männern zukommen, nicht aber mir, die ich die dazu nötige Bildung durchaus nicht besitze (…).»
Im 19. Jahrhundert war Ida ­Pfeiffer auch nach ihrem Tod – sie starb an Leber­krebs, der sich wahrscheinlich infolge ihrer Malariaerkrankung entwickelt hatte – recht bekannt. Danach geriet sie ins Vergessen. Aufgrund feministischer Forschung gelangte Pfeiffer ab den 1990ern wieder zu einer gewissen Popularität. Eine Kollegin habe sie während ihres Studiums auf Ida Pfeiffer hingewiesen, erzählt Gabriele ­Habinger. «Es war eine Zeit, in der wir jungen ­Frauen auch nach weiblichen Vorbildern in der Wissenschaft gesucht haben. Wo wir in der Wissenschaftsgeschichte und der Geschichte unserer Disziplin versucht haben herauszufinden, wen gab es neben diesen großen Männern, die immer genannt werden.» Daten zu frühen forschenden Frauen zu erheben ist schwierig, Aufzeichnungen sind oft (nicht mehr) vorhanden. Da Ida ­Pfeiffer viel publizierte und ihre Briefe aufbewahrt wurden, ist die Quellenlage für ihre Person recht gut. Allerdings gingen ihre Notizhefte und Reisetagebücher verloren oder sind bis heute zumindest nicht aufgetaucht.

Auf eigene Faust

Reisen war damals selbst in Europa eine mühevolle Angelegenheit und gefahrvoll. Dass sich eine bürgerliche Frau aus der Wiener Vorstadt auf eigene Faust mehrfach auf ausgedehnte Fahrten begab, war äußerst ­ungewöhnlich. Entsprechend der starren Gesellschaftsordnung und dem idealisierten Frauenbild jener Zeit waren die Geschlechterrollen eng gefasst und die Bereiche streng getrennt. ­Frauen ­waren für das Private, für Haushalt, ­Familie, Kinder zuständig. Ida Pfeiffer unterwarf sich den Vorschriften, wie sich ein weibliches Wesen zu verhalten, zu kleiden, zu bewegen hatte, sehr unwillig und brach aus dem engen Korsett des üblichen Frauenlebens im Vormärz mit über 40 Jahren durch ihre Reisen bis zu einem gewissen Grad aus.
Die eher kleine und zart gebaute Frau wird von Zeitgenossen als sehr bescheiden und zurückhaltend beschrieben. ­Einen starken Willen und Durchsetzungsvermögen, die auch bei ihrer kindlichen Rebellion zum Ausdruck kommen, dürfte sie jedoch durchaus gehabt ­haben. «Sie kommt aus dem Großbürgertum, aus einer reichen Familie, ich stelle mir vor, dass sie auch sehr selbstbewusst war und dementsprechend aufgetreten ist», so Gabriele Habinger. Als Beispiel weist sie auf eine Episode auf ­einer indo­nesischen Insel hin: «Sie braucht ein Boot und Rude­rer. In dem Dorf waren aber alle mit der Ernte b­eschäftigt und wollten ihr nicht helfen. Sie war aber so lästig, bis sie ihre Arbeit liegen gelassen haben und ihr zu einer sofortigen Weiterreise verhalfen. Und dann schreibt sie noch ‹Es ist alles gut ­gegangen, ich ­konnte überall meinen Willen durchsetzen.› Als ob ihr das ­zustehen ­würde.» Bei aller Faszination und anhaltendem ­Interesse an der Person Ida ­Pfeiffer gilt es, auch ­einen kritischen Blick zu ­bewahren. «Ich habe mich auch intensiv damit beschäftigt, ­inwiefern die reisenden Europäerinnen, ­insbesondere die Österreicherinnen, kolo­niale Ideologien mitgetragen ­haben: Das haben sie alle im Prinzip.» Eine femi­nistische ­Gesellschaftsanalyse dürfe nicht wegschauen, wo Frauen ­negative Aspekte mitgetragen hätten, und müsse das auch aufzeigen.

Tomboy

Ida Pfeiffer, geborene ­Reyer, war die Tochter des wohlhabenden Unternehmers Aloys Reyer, der ­seine Kinder überaus streng, aber gleich ­erzog: Ida war als Kind ein wahrer Tomboy, trug Bubenkleidung und tollte mit ihren fünf Brüdern herum. «Ich war nicht schüchtern, sondern wild wie ein Junge und ­beherzter und vorwitziger als meine ­älteren Brüder», schreibt sie in einer biografischen Notiz. Letztlich fügt sie sich, um dem Frauenbild ihrer Zeit zu entsprechen, und geht 1820 eine Vernunftehe mit einem wesentlich älteren Anwalt aus Lemberg/Lviv ein. Als ihr Mann Auf­träge und somit sein Einkommen verliert und auch noch der nicht unbeträchtlichen Mitgift verlustig geht, trennt sich Ida Pfeiffer von ihm und geht mit ihren beiden Söhnen zurück nach Wien. Als Allein­erzieherin arbeitet sie heimlich und bringt ihre Kinder und sich kaum über die Runden. ­Schließlich ­akzeptiert sie finanzielle Zuwendungen ihrer Brüder. Erst als ihre Söhne ihre Ausbildungen abgeschlossen und in ihren ­Berufen Fuß gefasst haben, erfüllte sich Ida ­Pfeiffer ihren großen Traum seit Kindheitstagen: auf Reisen zu gehen.

 

Gabriele Habinger: Eine Wiener Biedermeierdame erobert die Welt. Die Lebensgeschichte der Ida Pfeiffer (1797 – 1858). Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe bei Promedia 2022
208 Seiten, 27 Euro

Aus diesem Buch liest Gabriele Habinger am 3. Mai um 18 Uhr im Schloss Rothschild, Schlossweg 2, 3340 Waidhofen an der Ybbs

Gabriele Habinger: Frauen reisen in die Fremde.
Diskurse und Repräsentationen von reisenden Europäerinnen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, Promedia 2006
Bücher von Ida Pfeiffer, herausgegeben von Gabriele Habinger, erschienen in der Reihe Frauenfahrten:

Nordlandfahrt. Eine Reise nach Skandinavien und Island im Jahre 1845, Promedia 1999
Reise in die Neue Welt. Amerika im Jahre 1853, Promedia 1994
Abenteuer Inselwelt. Die Reise 1851 durch Borneo, Sumatra und Java, Promedia 1993

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