Ausgrenzung aus dem Wohnraum, Ausgrenzung aus dem öffentlichen Raumtun & lassen

Die Initiative Raum für alle*

Teure Mieten gehen oft Hand in Hand mit der Verdrängung von bestimmten Menschen aus dem öffentlichen Raum. Was Sozialarbeiter_innen damit zu tun haben und was am 8. September am Praterstern passiert, hat Ruth Weismann (Text) mit Christoph Stoik von der Initiative Raum für alle* besprochen.

Die Bruttomieten in Österreich seien seit 2011 um 35 Prozent gestiegen, meldete kürzlich orf.at. Das haben auch in Wien viele Menschen schon zu spüren bekommen. Leistbare Wohnungen gibt es auch rund um den als «gefährlicher» Hotspot geltenden Praterstern kaum mehr – Stichwort: Gentrifizierung. Und weil es hier immer «hübscher» und immer teurer wird, sollen Menschen, die eine gut zahlenden Makler_innen-Klientel eventuell doch vom Mietvertragunterschreiben abhalten könnte, möglichst von dort verschwinden. Stichwort: Alkoholverbot.

Das hat logischerweise dazu geführt, dass nun eben mehr Leute auf der angrenzenden Kaiserwiese oder auf Bänken auf der Praterstraße trinken. Oder auf den Bänken einfach schlafen.

Weltoffen?

Laut einem Bericht im Kurier beschäftigt das auch die grüne Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger; es werde sogar überlegt, Sitzbänke zu entfernen, wird da kolportiert. Wem eigentlich, darf man sich da fragen, gehört der öffentliche Raum, der doch laut Definition, sogar der Stadt Wien, allen gehören soll? Laut dem Fachkonzept Step 2025 der Stadt (www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien) soll der öffentliche Raum in Wien unter anderem «lebendig und weltoffen», «sozial gerecht» sowie «partizipativ und identitätsstiftend» sein. Dass angesichts der Verdrängungspolitk aber von sozial gerecht und partizipativ keine Rede sein kann, bemerken in dem Fall jene zuerst, die mit den Verdrängten arbeiten: Sozialarbeiter_innen. Und die wollen das nicht mehr hinnehmen. Seit rund einem halben Jahr gibt es nun die Initiative Raum für alle*, in der sich im Sozialbereich Arbeitende zusammentun, um gegen die Politik der Verdrängung und Marginalisierung anzutreten, wie Christoph Stoik, der selbst ausgebildeter Sozialarbeiter ist und in dem Bereich unterrichtet, erzählt.

Auf ihrer Facebookseite schreibt die Initiative: «Wir, die wir im oder mit dem Sozialbereich beschäftigt sind, wollen unsere Stimme erheben und auf die Verdrängung von Menschen aufmerksam machen. Wir stellen unsere Beobachtungen und Expertise interessierten Medien und der öffentlichen Meinung zur Verfügung und treten für eine Gesellschaft ein, die solidarischen Werten folgt.» Einer der solidarischen Werte der Gruppe ist es, sich als Kollektiv zu verstehen, das auch keine(n) öffentliche(n) Sprecher_innen hat, und auch jenen einen Rahmen zum Aktivwerden anbietet, die etwa aus beruflichen Gründen ihre Stimme nicht öffentlich erheben können oder wollen.

«Wir wollen aktiv werden gegen die Verdrängung von Menschen aus dem öffentlichen Raum. Der Praterstern ist ein Ort, wo viele Menschen, die von Marginalisierung betroffen sind, sichtbar sind. Sie nutzen den Raum, um sich zu zeigen, zu leben, Zeit zu verbringen. Aber es zeigen sich dort auch andere Probleme, Ausgrenzung aus Wohnraum, Ausgrenzung aus dem Sozialbereich, Ausgrenzung von Mindestsicherung. Die Migrationspolitik, die Asylpolitik, all das kommt dort zusammen. Insofern ist das ein sehr symbolträchtiger Ort, um die erste öffentliche Aktion zu starten», erläutert Stoik. Die öffentliche Aktion von Raum für alle* dient also zur Vernetzung und Sichtbarmachung der Arbeitenden im Sozialbereich, die direkt an den Marginalisierten dran sind und diese Verhältnisse nicht hinnehmen wollen, aber durch Gesetze und Regelungen in ihrer Arbeit gezwungen sind, sie teilweise mitzutragen.

«Zum Beispiel im Asylbereich, da werden wir manchmal gezwungen, gegen ethische Vorstellungen von sozialer Arbeit zu handeln», erklärt Stoik. «Und was ich weiß von Kolleg_innen, ist, dass es schwierig ist, sich öffentlich gegen das Alkoholverbot am Praterstern auszusprechen. Und es ist auch ein Widerspruch, Leuten auf dem Platz zu sagen, sie sollen da nicht stehen, als jemand, der sehr nahe an den Bedürfnissen der Menschen auf der Straße dran ist», so Stoik.

Öffentlichkeitswirksam.

Raum für alle* ist davon überzeugt, dass es wieder mehr öffentlichen Aktionismus braucht, um auf Probleme aufmerksam zu machen, Menschen zu sensibilisieren und um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, die sie auf ihrer Facebook-Seite und ihrem Blog formulieren:

Öffentliche Räume für alle

Ende der Schikanierung von Menschen, die betteln

Bedarfsorientierte Mindestsicherung als wirksames Mittel der Armutsbekämpfung

Eine menschenwürdige Migrations- und Asylpolitik

Eine Wohnungspolitik, die Zugang zu leistbarem Wohnen schafft

Das Ziel ist nichts weniger als eine gerechte Gesellschaft. Darum beziehe sich der Name Raum für alle* auch nicht nur auf Wohn- und öffentlichen Raum, sondern den gesamten Raum der Gesellschaft, an der alle gleichberechtigt teilhaben können sollen, erklärt Christoph Stoik.

Das Treffen am 8. September von 15 bis 18 Uhr am Praterstern, an dem einfach mal geredet und mehr oder weniger gefeiert werden soll, ist zwar grundsätzlich für im Sozialbereich Arbeitende gedacht, lädt aber auch andere Interessierte ein, vorbeizuschauen. Denn vom Sozialbereich sind wir, genauso wie von Maßnahmen im öffentlichen Raum, letztlich alle betroffen. Hohe Mieten bringen den meisten Menschen nichts. Und was wäre eine Stadt ohne Sitzbänke?

raumfueralle.wordpress.com

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