eingSCHENKt
Eine aktuelle Studie mit Bezieher_innen von Sozialhilfe hat auf eindrückliche Weise die schwindende soziale Integrationskraft von Erwerbsarbeit gezeigt. Der Soziologe Manfred Krenn berichtet von Menschen, die zwischen letztem sozialen Netz und schlechten, desintegrativen Jobs hin und her pendeln.
Der Arbeitsdruck ist hoch, die Arbeitszeiten immer anders, der Umgang mit den Arbeiter_innen ohne Anerkennung und Wertschätzung. In den Interviews kommen besonders die gesundheitlichen Probleme zur Sprache. Frau G geht nach dem zweiten Raubüberfall an der Supermarktkassa am nächsten Tag trotz einer Lungenentzündung wieder arbeiten, hat dann einen Nervenzusammenbruch und wird nach drei Tagen Krankenstand vom Rayonsleiter gekündigt. Ähnliches passiert Frau N. Während der Arbeit hat sie einen Autounfall. Sie geht trotz starker Prellungen am nächsten Tag zur Arbeit, die sie aber wegen Schmerzen nicht durchsteht, und meldet sich krank. Nach einer Woche wird ihr gekündigt. Frau B arbeitet bei einem Direktmarketing-Unternehmen und muss Werbematerial kuvertieren: «Wir haben, da sind so große Tisch, so wie Packtische, zu viert, also sitzen wir. Und ich hab leider so einen Platz, wo ich zur Vorarbeiterin nach vorne sehe. Die anderen zwei mit dem Rücken haben es noch besser, und kaum redet man da irgendwas, egal ob was Privates oder gibt es Probleme? Ja, gibt es Probleme? Da sitzen sie von 8 bis 12 Uhr, weil da gibt es dann die Pause von 12 Uhr bis halb eins. Und da haben sie Angst, wenn sie was reden.»
Die zunehmende Prekarisierung spaltet die Gesellschaft in verschiedene Zonen mit unterschiedlichen Sicherheitsniveaus auf: eine schwindende «Zone der Integration», eine wachsende «Zone der Verwundbarkeit» und eine sich verfestigende «Zone der Entkoppelung» (Robert Castel). So entsteht Ausgrenzung durch Arbeit.
Schlechte Jobs machen die meisten doch ohnehin nur zur Überbrückung und bis sie was Besseres gefunden haben, meinen viele. Und freilich wünschen sich die Betroffenen auch wirklich rasch einen anderen und besseren Job. Doch viele kommen aus ihrer schlechten Situation nicht mehr oder nur schwer heraus. Für Deutschland zeigen Studien, dass es für mehr als 70 Prozent der Billigjobber_innen keinen Aufstieg in höhere Lohnsegmente gibt. Die in Plädoyers für die Einführung eines Niedriglohnsektors häufig verwendete Behauptung, Niedriglohn sei ein Sprungbrett in höhere Einkommensschichten, wird durch die Ergebnisse widerlegt. Vielmehr führen die genannten Jobs für die Mehrheit zu einer dauerhaften prekären Einkommenslage ohne Ausstieg. «Seit Mitte der 90er Jahre fördert Deutschland zu niedrig entlohnte Jobs», argumentiert OECD-Experte Herwig Immervoll. Langzeitarbeitslose hätten «nach wie vor einen vergleichsweise geringen finanziellen Anreiz, eine existenzsichernde Beschäftigung anzunehmen». Der künstlich und staatlich geförderte Niedriglohnmarkt ist eine Armutsfalle.
Pendler_innen und Wiedereinsteiger_innen machen bereits 42 Prozent der Sozialhilfebezieher_innen in Wien aus. Sie pendeln zwischen der Zone der Entkoppelung und der Zone der Prekarität. Aus Workless Poor werden Working Poor, aus der Armut ohne Arbeit geht es in die Armut mit Arbeit und umgekehrt. Hier verkommen die Sprüche von der «Integration in den Arbeitsmarkt» zu realitätsleeren oder verlogenen Parolen. Hier findet keine soziale Integration statt. Im Gegenteil. Hier entsteht soziale Ausgrenzung durch die Arbeit selbst.