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Sie standen vor der Burg und ließen niemanden raus noch rein. Bei Belagerungen war es im Mittelalter angewandte Taktik, die Bevölkerung auszuhungern, damit man die Stellung einnehmen und die Macht übernehmen kann. „Ich möchte den Staat nicht nur auf eine Diät setzen, ich will ihn in Hunger und Armut treiben“, so posaunt es der Ökonom Alvin Rabushka heute, dessen Steuerideen seit Jahrzehnten die Reichen reicher und die Armen ärmer machen.Diese Hunger-Modelle haben eine strategische Funktion. Die britische Premierministerin Margret Thatcher begann vor 40 Jahren ihren sozialen Kahlschlag mit Beitragssenkungen, um die soziale Sicherung auszuhungern. So funktioniert die politische Bastelanleitung zur Herstellung von „Sachzwängen“.
Reinfallen sollten wir darauf nicht mehr. Die Senkung der sogenannten Abgabenquote bringt keine Entlastung für alle. Denn was haben wir davon, wenn gleichzeitig unsere persönliche Abgabenquote für Selbstbehalte, indirekte Steuern und Privatvorsorge überall rasant anwächst? Während die solidarische Abgabenquote auf unter vierzig Prozent sinkt, steigt die persönliche Abgabenquote der Mittelschichten. Mit Steuersenkungen wird tendenziell die reichere und einflussreichere Klientel bedient, das dadurch entstehenden Budgetdefizit belastet mit Ausgabenkürzungen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsektor tendenziell die unteren Einkommen. Um im Bild zu bleiben: Einen „Hunger-Staat“ können sich nur die „Satten“ leisten.
Wir hatten das alles schon einmal. In den 2000er Jahren. Mit dem gleichen Propaganda Versuchen. Da bezahlte die Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ Talkgäste in Fernsehrunden, um für weniger soziale Marktwirtschaft zu werben. Ein Witz? Nein, eine Kampagne, finanziert durch große Geldgeber, darunter neoliberale Think Tanks und monetaristisch ideologisierte Interessensverbände. Dieselben „Experten“, die dann in den Talkshows saßen und Zeitungen Interviews gaben, wurden praktischerweise gleich von derselben Initiative zu „Reformern des Jahres“ gekürt. Geehrt wurde man zum Beispiel für Aussagen wie: „weniger Geld für Arbeitslose“ oder „Sozialhilfe kürzen“ aber am liebsten für „weniger Steuern“.
Es sagt allein genau nichts aus, wenn der öffentliche Beitrag unter 40 Prozent beträgt. Kommt ja darauf an, was damit finanziert wird und wer damit wen unterstützt. Schultert alles der Faktor Arbeit und der Massenkonsum, oder trägt Vermögen und Reichtum auch etwas bei? Wird damit Bildung für alle finanziert, Gesundheit und Soziales? Unterstützen die, die viel haben, die, die wenig haben, helfen die Gesunden den Kranken? Und was ist mit Dänemark oder Schweden, die mit ihrem Bruttoinlandsprodukt (BIP) weit über dem EU-Durchschnitt liegen; ihre Abgabenquote liegt aber trotzdem über 43 Prozent. Schweden, Dänemark, Österreich und Niederlande befinden sich im europäischen Vergleich im obersten Drittel mit ihrem BIP. Dieselben Länder sind auch bei den Sozialausgaben im obersten Drittel Europas. Das heißt: Ein progressives Steuersystem schadet der Wirtschaft nicht. Länder mit hoher Steuerquote haben auch ein hohes Bruttoinlandsprodukt. Ein hoher sozialer Schutz hemmt die Wirtschaft nicht. Länder mit hohen Investitionen ins Soziale haben auch ein hohes Wirtschaftswachstum.
Die Propagandisten der sog „Neue soziale Marktwirtschaft“ lieferten übrigens auf Bestellung Daten. Ihre Experten machten daraus einen Artikel oder gleich eine Doppelseite in der Zeitung. Lieblingsaussage: Viele „harte Einschnitte“ – von denen sie selbst freilich nie betroffen waren.