Ausprobierentun & lassen

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Die einen kassieren die Rendite am Finanzmarkt, die anderen kassieren die Rendite der Angst, die die Finanzkrise ausgelöst hat. Angst und Ohnmacht machen sich ordentlich breit. Nützen tut das denen, die gerne hätten, dass alles so unfair bleibt wie es ist.Wenn Menschen unter Druck kommen, dann antworten sie mit den klassischen drei Stressreaktionen: Rückzug, Aggression oder Zerstreuung. Alle drei Methoden der Angstbewältigung haben jedoch einen erheblichen Nachteil: Man fühlt sich von der Welt und anderen Menschen getrennt. Eine vierte Handlungsvariante ist möglich. Nämlich sich zusammenzutun und etwas zu wagen. Wann wenn nicht jetzt? Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als Freiräume zu nützen und etwas auszuprobieren.

Ein solches Experimentierfeld sind die sogenannten Commons. «Gut für alle!» «Was mehr wird, wenn wir es teilen». «Allmende». All diese Begriffe knüpfen an die Forschungen der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom an, die die Bedeutung von Gemeingütern für eine faire und gerechte Gesellschaft herausgearbeitet hat. Gemeingüter sind Grundbestand und Voraussetzung gesellschaftlichen Wohlstands: Gerade in krisenbestimmten Zeiten von der Umwelt, über die Energie bis zur Staatsschuldenkrise zeigt sich die Bedeutung von «Commons». Natürliche Gemeingüter sind notwendig für unser Überleben, soziale Gemeingüter sichern den Zusammenhalt und kulturelle Gemeingüter sind Bedingung für unsere individuelle Entfaltung.

Doch Commons sind nicht mit öffentlichen Gütern gleich zu setzen. Es geht immer darum, wie wir sie organisieren wollen. Es geht immer darum, sich diese Güter auch anzueignen. Pflege soll nicht nur zur Verfügung gestellt, sondern von den Nutzer_innenn auch gestaltet werden können. «Claim the state!», heißt da der Schlachtruf. Genauso wie: «Claim the market!» Staat wie Markt sollen rückerobert werden. Die einen engagieren sich, eine neue demokratische Bank zu gründen, die sich an den alten Genossenschaftsbanken orientiert; so wie Raiffeisen und Erste einmal angefangen haben. Andere organisieren sich in Versammlungen, um an der Budgeterstellung in der Gemeinde mitzuwirken. Oder Menschen mit Behinderungen bilden Assistenzgemeinschaften, um den Alltag mit Begleitung gut zu bewältigen. Wiederum andere teilen und nutzen Wissen gemeinsam für individuelle Forschungsvorhaben. Und nicht zuletzt: Auch viele Straßenzeitungen sind als Commons-Projekte entstanden.

Gebrauchen, Zusammenarbeiten, Teilen und Beitragen. Das sind die zentralen Prinzipien: Using, Cooperating, Sharing, Contributing. Ressourcen werden von einem definierten Nutzer_innenkreis nach selbst ausgehandelten Regeln genutzt. Commons beruhen nicht auf der Idee der Knappheit, sondern schöpfen aus der Fülle. Sie sind produktiv, ohne in erster Linie für den Markt zu produzieren. Sie existieren für und durch die Menschen und lösen konkrete Probleme. Es geht darum, gemeinsam Ressourcen zu nutzen und zu pflegen, Regeln auszuhandeln, sich die Welt anzueignen ohne sie in Besitz zu nehmen. Commons sind nicht die Lösung, sondern der Perspektivenwechsel, der neue Lösungen möglich macht.