Aussondern, nein danketun & lassen

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Finnland hat ja viel weniger Migrantenkinder. Da können die leicht PISA-Sieger im Lesen werden, heißt es. Die kanadische Provinz Alberta mit 21% Migrantenkindern liegt in Mathematik vor dem PISA-Sieger Finnland, im Lesen mit Finnland gleichauf und in den Naturwissenschaften unter den besten vier. 13% der Kinder sprechen in Kanada die Unterrichtssprache zu Hause nicht 9% in Österreich.Die Spitzenleistungen der Fünfzehnjährigen im Lesen werden in Kanada nicht nur von Kindern, deren Eltern im Inland geboren sind, angeführt, sondern auch von Schüler_innen, die als Nachkommen von Einwanderern geboren wurden. Neben den höher qualifizierten Migrant_innen setzt sich die kanadische Einwanderung zur anderen Hälfte auch aus weniger qualifizierten Familienangehörigen und Flüchtlingen zusammen. Diese Hälfte wird in den europäischen Diskussionen gerne unterschlagen, konstatiert Barbara Herzog-Punzenberger, die selbst in Kanada gelebt und geforscht hat. Weder sind Einwanderer in Kanada durchwegs hochbegabt, noch sprechen sie notwendigerweise die Landes- oder Unterrichtssprache. In Kanada wandern jährlich rund 40000 Kinder unter fünfzehn Jahren ein, die weder Englisch noch Französisch sprechen, das sind siebzig Prozent der gesamten Einwanderer in dieser Altersgruppe, und diese werden unmittelbar in die Schulklassen integriert. Außerdem sprechen 30% der erwachsenen Einwanderer zum Zeitpunkt der Einwanderung weder Englisch noch Französisch. Durch die kostenlosen und freiwilligen Sprachkurse allerdings tun die meisten das nach drei Jahren. In Toronto gibt es beispielsweise ein Sprachlabor, das für alle Schüler_innen individuell angepasste Sprachförderprogramme entwickelt, mit denen die Kinder und die Pädagog_innen dann in den jeweiligen Schulen arbeiten.

Kanada hat eine flächendeckende Ganztagsschule mit verschränktem Unterricht. Die Hierarchisierung der Lehrerschaft (»im Gymnasium ist die Lehreroberschicht«) ist gering. Das Teaching Certificate erlaubt allen Lehrern außer in Ontario und Quebec das Unterrichten auf allen Schulstufen von der ersten bis zur zwölften Klasse. Auch die Vorschullehrer gehören dazu, sie haben vier Jahre studiert. Aus den zahlreichen Bewerber_innen wird genau ausgewählt. Nur 10% bekommen einen Platz im Bachelor of Education.

Kanada ist das Land mit den geringsten Leistungsunterschieden bei seinen fünfzehnjährigen Schüler_innen. Der Abbau der Leistungsdifferenzen geht nicht zu Lasten der Leistungsstarken, sondern wird ausschließlich durch bessere Leistungen der schwachen Schüler bewirkt. Hohe Leistung und inklusive Schule schließen einander nicht aus, sondern gehen Hand in Hand. Im kanadischen Schulsystem findet ein langes gemeinsames Lernen statt. Neunzig Prozent besuchen zwölf Jahre lang das Schulsystem. Besondere Unterstützung erhalten vier Gruppen: Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, Leistungsschwache in den Fächern, in denen sie die Mindeststandards der Klasse nicht erreicht haben, wo es Sprachförderung braucht und Hochbegabte. Für jeden gibt es individuelle Förderpläne und zwei Teaching Assistants pro Lehrer. Guidance Counsellors dienen als persönliche Ansprechpartner. Jede Schule verfügt über mindestens ein Ressource Center. Die Schüler honorieren das: Sie vergeben im internationalen Vergleich die höchste Punkteanzahl bei Unterstützung durch ihre Lehrenden.