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Ein Bild zeigt das Zähne putzen, eines das Pyjama anziehen, eines das Klo gehen, eines das Vorlesen einer Gute-Nacht-Geschichte. Da Kinder mit Autismus leichter über das Sehen als über das Hören lernen, sind Zeichnungen oder Fotos wichtige Hilfsmittel.„Die Bilder geben dem achtjährigen Leon Sicherheit und machen für ihn die Struktur eines Tages verständlich, er wird zunehmend ruhiger und das tut uns allen gut“, erzählt die Mutter von Leon. Die Eltern sind froh über diese Hilfe. „Häufig passiert es uns, dass wir von Außenstehenden als unfähig angesehen werden, nur weil unser Kind anders ist“. Carmen Aichern ist Sozialpädagogin und begleitet Kinder mit Autismus. Sie beschreibt die Situation dieser jungen Menschen so: „Kinder haben Schwierigkeiten mit dem ‚Entziffern’ der für uns klaren Umgebung. Sie haben Mühe, den Dingen ihre Bedeutung zuzuordnen. Was kommt als nächstes? Was wird erwartet? Das stresst und macht ängstlich.“ Leon zieht sich dann zurück in seine eigene Welt oder wiederholt bestimmte Handlungen immer wieder, um so für sich Ordnung ins Chaos zu bringen.
„Ein bisschen sonderbar bin ich schon“, sagt Alex, 40. Was er damit meint? „Na eben anders als die anderen. Ich bin jemand mit vielen Schwierigkeiten.“ Die Schwierigkeiten hätten früh begonnen. „Ich war schon immer ein Einzelgänger. Die anderen Kinder haben mich in der Volksschule sehr hässlich behandelt. Sie verfolgten und schlugen mich, gingen gemeinsam auf mich los, warfen mich einen Hang hinunter, in ein stacheliges Gestrüpp. Es hat ihnen Spaß gemacht, mich zu quälen“, erzählt Alex.
Viele der 80.000 Menschen in Österreich mit Autismus-Diagnose sind Vorurteilen und Stigmatisierung ausgesetzt. Im Umgang mit Autist_innen gibt es laufend falsche Zuschreibungen, wenig Wissen, dafür viel Mitleid und große Unsicherheit. Betroffene wie Denise Linke, 27, wollen das ändern und machen sich öffentlich stark für ein mehrstimmiges Bild. Was ihr wehtut, sagt sie, ist die Stigmatisierung in der Öffentlichkeit. Vor allem Medien prägen ein solches Bild des Autismus. Etwa dadurch, dass Artikel dazu mit einem schreienden Kind in dunkler Umgebung illustriert werden. Dadurch, dass Autismus als Metapher eingesetzt wird, die etwas Negatives ausdrücken soll, als Schimpfwort verwendet. Die neuen Initiativen von Betroffenen möchten ein Weckruf für mehr Achtsamkeit gegenüber einfachen Bildern und schnellen Diagnosen sein. Die Welt verstehen lernen, ist nicht nur eine Aufgabe für sie selber, sondern gilt in alle Richtungen: an Medizin, Politik, Schule oder Medien.
Aus der Natur kann Alex viel Kraft schöpfen. „Da wo ich aufgewachsen bin gab es einen großen Garten und rundherum viele Maisfelder. Das war meine Rückzugsoase, da habe ich als Kind Energie getankt für den harten Schulalltag. Auch heute noch ist die Natur, vor allem der Wald, ein Ort, an dem ich mich sehr gerne aufhalte.“ Deswegen sei auch das Forstwirtschaftsstudium für ihn das richtige gewesen. „Ich tu mich ja generell mit Menschen schwer. Aber Autismus selbst ist für mich etwas vollkommen Normales, keine Krankheit, sondern eine individuelle Lebensart. Aber eine, die mich eben einschränkt.“