Verkehrswende und Polizeigewalt
«Das Auto», schreibt die Gruppe System Change Not Climate Change, «steht dem Guten Leben für Alle im Weg.» Es nimmt sich zu viel Raum, gefährdet Menschenleben und vergiftet die Umwelt: «Rund 30 % der Treibhausgas-Emissionen sind in Österreich dem Straßenverkehr zuzuschreiben.» Darum haben 250 junge Menschen am Klimaaktionstag Ende Mai die Ringstraße auf Höhe der Aspernbrücke blockiert. «Ende Geländewagen» war das Motto, das sich den Wortwitz von der internationalen Bewegung gegen den Braunkohleabbau, «Ende Gelände», leiht.
Überhaupt nicht witzig fand das die Polizei. Individuelles Fehlverhalten oder strukturelle Gewalt? Fakt ist, dass mehrere an der Blockade Beteiligte mit derber physischer und psychischer Gewalt traktiert wurden. Jemand wurde mit dem Kopf unter ein Polizeiauto gehalten, ein anderer mit solcher Heftigkeit zu Boden gebracht, dass er eine üble Kopfwunde erlitt. Gegen die einen Beamt_innen wird strafrechtlich ermittelt, gegen drei Amtshandlungen wurde eine Maßnahmenbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht Wien eingebracht. Der dritten Art war dann aber die Verhandlung, die Ende Juli vor dem Wiener Landesgericht stattfand: Der junge Mann mit der Kopfwunde war wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt angezeigt worden. Zufall? Rechtsanwalt Clemens Lahner sieht davon ab zu unterstellen, dass der angezeigte Widerstand nachträglich die Gewalt durch die Polizei rechtfertigen soll, «auch wenn es einen bitteren Beigeschmack gibt».
Am ersten Prozesstag wurden der Angeklagte und zwei beteiligte Beamt_innen befragt. Es gab Erinnerungslücken und technische Unklarheiten: Wie kann jemand von drei ausgebildeten Polizist_innen am Boden fixiert werden, zugleich seinen Rucksack festhalten und dabei so fest um sich schlagen und treten, dass er nur mit «gezielten Faustschlägen» unter Kontrolle gebracht werden kann? Anwalt Lahner bleibt nach der Verhandlung «vorsichtig optimistisch» zurück. Weil aber der Beamte, der zentral an der Situation beteiligt war, an diesem ersten Verhandlungstag in Urlaub weilte, vertagte der Richter Christian Noe die Verhandlung auf 7. Oktober (9.30 Uhr, Landesgericht Wien, Saal 103). Der AUGUSTIN wird berichten.