Bad Benkotun & lassen

Der mächtige Tiroler gehört längst zum internationalen Oligarchen-Jetset

«Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.» Während für die meisten Menschen das Leben Jahr für Jahr beschwerlicher wird, wächst das Vermögen einiger weniger in schwindelerregende Höhen. Grund genug für den AUGUSTIN, den Reichen und Mächtigen in diesem Land in einer losen Serie nachzuspüren. Zum

Auftakt haben sich Liese Kuttin und Samuel Stuhlpfarrer den Immo-Tycoon René Benko vorgenommen.

Begonnen hat für René Benko alles in seiner Heimat Tirol. Als Oberstufenschüler möbelt der Innsbrucker Dachböden zu Luxusimmobilien auf. Benko gewinnt große Investoren für immer größere Projekte, es folgen Einkaufscenter und eine Luxusmeile in der Wiener Innenstadt. Heute ist René Benko einer der größten Immobilien-Investoren Europas.

Wer den rasanten Aufstieg Benkos in einen einzigen Gedanken fassen möchte, hält sich am besten an dessen eigene Worte. «Ich bin ein absoluter Nutznießer der Krise», betitelte die Tageszeitung Die Presse 2008 ein Interview mit dem Magnaten. Was im Zuge der Immobilien- und Finanzkrise passiert war, hatte Benko Vorteile gebracht, weil die Konkurrenz weggebrochen war, wie der damals 31-Jährige freimütig einbekennt. In den folgenden Jahren sollte sich René Benko zum fächerübergreifend agierenden Tycoon entwickeln. Seine milliardenschwere Signa Holding macht bald auch Handelsgeschäfte im großen Stil. Die deutschen Warenhaus-Riesen Kaufhof und Karstadt gehören genauso zum Firmengeflecht wie die kika-Leiner-Kette.

Vernetzt.

Immobilien, Kaufhäuser, SPÖ, ÖVP: Für unterschiedliche Branchen ist Benko genauso zu haben wie für Kontakte zu Promis und Politiker_innen verschiedener Lager. Das zeigt die personelle Gemengelage rund um den kika-Leiner-Deal zum Jahreswechsel 2017/2018 beispielhaft. Damals hatte Ex-SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer gerade erst als Chef der roten Parteiakademie abgedankt. Bei seinem Freund René Benko bekleidete er zu diesem Zeitpunkt schon längst einen Aufsichtsratsposten – neben Persönlichkeiten wie dem deutschen Hartz-IV-Architekten Roland Berger und Ex-FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess, heute Wüstenrot-Chefin. Die beiden Letztgenannten sind wie Benko auch direkt mit dem amtierenden ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz verbunden. Als Außenminister (wohl schon in Vorbereitung späterer Weihen) hatte Kurz ausgerechnet für die Innenpolitik «Erfolgs­ideen» auf einer Bundesländertour gesammelt und mit der Salzburger Industriellenvereinigung einen hübschen Abend ausgerichtet, wo Berger unter donnerndem Applaus vortragen durfte. Und Susanne Riess war spätestens ein Fixstern am schwarz-türkisen Firmament, als Kurz mit ihr ein halbes Jahr vor seinem Wahlsieg und unmittelbar vor der ÖVP-Übernahme Konzepte für einen «neuen» Sozialstaat präsentierte. Riess machte wenig überraschend kein Hehl aus ihrer Vorliebe für private Pensionsversicherungen und meinte, man müsse wohl «die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, ganz grundlegend ändern».

Flüssig.

Aber zurück zu Benkos Silvester-Deal. Zu Weihnachten 2017 bekam er das dringende Angebot, die kika-Leiner-Geschäfts-Zentrale in Wien zu kaufen. Die südafrikanischen Besitzer der Kette waren arg ins Trudeln geraten, ein Verkauf vor dem bilanztechnisch ausschlaggebenden Jahreswechsel war wichtig, um die Firma flüssig zu halten. Laut der Tageszeitung Kurier musste der Deal nicht nur vor dem 1. Jänner über die Bühne gehen, sondern auch rechtzeitig im Grundbuch eingetragen sein. Das Problem dabei: Der zuständige Beamte war schon im Urlaub. René Benko machte sich sein gutes Verhältnis zu Sebastian Kurz zunutze. Laut Kurier holten Kurz und sein Justizminister Josef Moser den betreffenden Beamten kurzerhand aus dem Urlaub zurück. Eine Leiner-Managerin brach sich zudem beim Verlassen einer Anwaltskanzlei in der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember einen Fuß. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht, wo sie vor ihrer Operation im Beisein eines Notars die Verträge unterschreiben musste. Ein halbes Jahr später sollte Benko die gesamte kika-Leiner-Kette übernehmen und in weiterer Folge 832 Mitarbeiter_innen in die Arbeitslosigkeit schicken.

Ungemütlich.

Die Signa Holding ist nicht börsennotiert und damit weniger transparent als Konglomerate ähnlicher Größenordnungen. Gern zeigt Benko seine Freund_innen, Partner_innen und Verbündeten beim alljährlichen Maroni-Essen in seinem Wiener Hotel Park Hyatt vor. Seiner Einladung folgen nicht nur Größen aus Medien, Politik und Wirtschaft von Raiffeisen bis SPÖ. Im Park Hyatt steigt laut profil auch gerne Gusenbauer-Freund und SPÖ-Wahlkampf-Kummer-Nummer Tal Silberstein ab. Man kennt einander: Silberstein hatte während seiner aktiver Polit-Zeit Gusenbauer beraten, sein Kompagnon Beny Steinmetz früher bei René Benko investiert. Und Benkos Signa-Pressechef Robert L.– ein früherer enger Mitarbeiter von Alfred Gusenbauer – hatte für Tal Silberstein im verunglückten SPÖ-Nationalratswahlkampf jene küchenpsychologische Charakterstudie über Christian Kern verfasst, die unter dem Namen «Prinzessinnen-Papier» zweifelhafte Berühmtheit erlangen sollte. Ausgerechnet ein FPÖ-nahes, rechtsextremes Webportal berichtete darüber exklusiv, handelte sich allerdings prompt einen Anwaltsbrief ein und beeilte sich in der Folge sogleich festzuhalten, «dass L. das Papier als Privatperson und nicht in Ausübung seiner beruflichen Funktion geschrieben hat». Es war nicht das einzige Mal, dass Benkos Leute gegenüber Berichterstatter_innen ungemütlich wurden. Als der Spiegel vor wenigen Wochen eine für René Benko persönlich sehr unangenehme behördliche Entscheidung aus dem Jahr 2014 erwähnte, handelte man sich beim Nachrichtenmagazin glatt Post ein. Benko verlangte über seine Anwälte, diese Passage zu löschen. Das ließ sich der Spiegel nicht gefallen und berichtete erst recht. Mehrere österreichische Journalist_innen hätten zudem zu Protokoll gegeben, auch schon Unterlassungsforderungen erhalten zu haben. Einen Kollegen zitieren die Deutschen mit den Worten: «Er hat Geld und kann uns in Grund und Boden klagen. Die meisten Redaktionen scheuen daher die Auseinandersetzung.» Wie viel davon stimmt, lässt sich ab sofort in Echtzeit nachprüfen. Denn Benkos Signa Holding hat gerade ein Viertel von Krone und Kurier erworben – und drängt damit in den jetzt schon äußerst konzentrierten österreichischen Medienmarkt.  

Verschwiegen.

Als branchenfremder Neueinsteiger in den Markt fiel in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Getränke-Milliardär Dietrich Mateschitz auf. Er versucht mehr oder weniger erfolgreich, mit Servus TV, Servus Land & Leute und Addendum ein eigenes Medienimperium aufzubauen. Dabei geriet das Servus-Konglomerat zuletzt politisch wie arbeitsrechtlich ins Zwielicht. So versuchte Mateschitz, die Belegschaft von Servus TV loszuwerden, nachdem diese einen Betriebsrat gegründet hatte. Gleichzeitig begannen Mateschitz’ Medien, in ihren Diskussionssendungen auch rechtsextremen Positionen Platz zu geben. Dazu passt der durchgängige Fokus auf Regionales und Altbewährtes.

Die Investments von Mateschitz und Benko sind als Teil eines globalen Trends zu sehen. Finanzstarke Privatiers und Unternehmen beschränken sich nicht mehr darauf, über ihre Position als potente Anzeigenkund_innen Einfluss auf redaktionelle Inhalte zu nehmen. Sie nehmen einfach ganze Verlagshäuser in ihr Portfolio auf. Schon 2013 erwarb etwa Jeff Bezos die Washington Post Der milliardenschwere Amazon-Gründer versprach damals, sich nicht in das Tagesgeschäft einzumischen. Tatsächlich berichtete die Post bis zuletzt kritisch über Amazon, was jedoch auch eine Art Feigenblatt-Funktion hat. Fakt ist jedenfalls, dass sich Bezos mit diesem Zug in Washington D. C. mehr Einfluss verschafft hat.

Weitaus deutlicher werden die politischen Interessen bei einem Blick auf Osteuropa sichtbar. 2016 wurde die ungarische Zeitung Népszabadság über Nacht zugesperrt. Sie war zuvor vom österreichischen Investor Heinrich Pecina an die Optimus-Press-Gruppe verkauft worden. Dort agiert mit Lórivc Mèszàros ein enger Vertrauter des ungarischen Premiers. Er besitzt mittlerweile eine überwältigende Mehrheit der Regionalzeitungen, während Andrew Vojna – ein weiterer Orbán-Freund – schon 2015 den Fernsehsender TV2 durch Kredite staatsnaher Banken aufkaufte. Dasselbe Muster ist in Polen, Tschechien oder der Türkei zu sehen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wurde etwa 2016 dabei abgehört, wie er befreundeten Unternehmen Aufträge zum Ankauf von Medienunternehmen erteilte.

Ob und wie René Benko seinen nunmehrigen Einfluss bei Krone und Kurier geltend machen wird, ist derweil nicht abzusehen. Unstrittig ist, dass der, mit einem geschätzten Privatvermögen von 3,8 Milliarden Euro, achtreichste Österreicher als äußerst verschwiegener Geschäftsmann agiert. Strittig dagegen, ob das Reinemachen beim Kurier, das schon vor Bekanntwerden des Benko-Einstiegs begonnen hat, retrospektiv als Vorleistung zu verstehen ist. Erst im September löste Martina Salomon den ins Visier der FPÖ geratenen Helmut Brandstätter als Chefredakteur ab. Drei Wochen später kam das Aus für den Innenpolitik-Chef. Am 30. November gab schließlich die zuletzt betont regierungskritische Kolumnistin Barbara Kaufmann auf Facebook ihren Abschied bekannt: «Manche Abschiede», schrieb sie da, «sind unbedacht, manche gefährlich. Und manche unvermeidbar.»