Bargeldlos ist nicht umsonstAllgemein

Boulevard-Blog vom 03.05.2023

Ab dem kommenden Herbst kann man den Augustin in einer ersten Testphase auf der Straße auch bargeldlos bezahlen. Was einerseits Chancen bringt und andererseits die Frage aufwirft, wer die dabei anfälligen Transaktionsgebühren übernimmt.

Ende 2022 erreichte den Augustin die Förderzusage der Arbeiterkammer Wien für das Projekt «Augustina – digitale Innovation für die analoge Begegnung». Eine große Freude, denn eine zusätzliche Zahlungsoption bedeutet im besten Fall auch zusätzliche Verkäufe. Die Ausrede «Ich habe kein Bargeld dabei» ist somit außer Kraft gesetzt.

Vorlieben ändern sich

Der Grund, warum der Augustin künftig auch digitales Bezahlen möglich machen möchte, sind die sich stetig ändernden Zahlungsgewohnheiten unserer (potentiellen) Leser:innen. Vor allem im Zuge der Pandemie und der geltenden Kontaktbeschränkungen hat sich das Zahlungsverhalten der eigentlich bargeldaffinen Österreicher:innen stark verändert – das zeigt eine aktuelle Studie der Nationalbank. Rund ein Viertel der Befragten gab an, während der Pandemie weniger Bargeld verwendet zu haben, und die überwiegende Mehrheit hat dieses Zahlungsverhalten auch beibehalten. Bargeld ist zwar nach wie vor das beliebteste Zahlungsmittel bei Direkteinkäufen in Österreich, jedoch ist der Anteil von 79% in 2019 auf aktuell rund 66% deutlich gesunken. Immer mehr Menschen zahlen außerdem mit dem Mobiltelefon. 2021 waren es zwar nur 0,7%, doch vor allem bei den unter 30-Jährigen gibt es hierzu eine große Affinität. «Augustina» ist deshalb auch eine Chance, jüngere Augustin-Leser:innen zu gewinnen.

Die Idee

Um breiter aufgestellt zu sein, werden die Augustin-Verkäufer:innen künftig einen QR-Code auf ihrem Augustin-Ausweis tragen. Diesen können die Kund:innen mit ihrem Smartphone scannen, um online bargeldlos zu bezahlen. Nachdem die Transaktion bestätigt worden ist, erhält man je nach Belieben eine Print- oder Onlineausgabe des Augustin. Ein großer Pluspunkt dieser Lösung ist, dass die Verkäufer:innen selbst kein Smartphone benötigen.

Augustin-Verkäufer:innen sind Menschen, die aus verschiedenen Gründen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Das sind zum Beispiel Obdachlose, Langzeitarbeitslose oder Asylwerber:innen. Mit dem Verkauf der Zeitung erhalten sie die Hälfte des Verkaufspreises – das sind aktuell 1,50 Euro pro verkauftem Exemplar. Auch das Trinkgeld der Käufer:innen spielt eine wichtige Rolle.

Für digitale Transaktionen, über welchen Anbieter auch immer, sind stets Gebühren fällig. Zur Veranschaulichung: Beim aktuell gängigen Anbieter Paypal sind dies für den Augustin aktuell 0,05 Euro Festgebühr pro Transaktion. Zusätzlich werden, bei einer Transaktionshöhe von bis zu 10 Euro, 1,7% Prozent des Transaktionswertes dazu gerechnet. Somit ergibt sich für eine Augustin-Ausgabe eine Transaktionsgebühr von 11 Cent, bei der Miteinberechnung eines guten Trinkgelds eine Gebühr von 21 Cent. Die Frage ist: Wem wird sie abgezogen?

Das Gebühren-Dilemma

«Wir haben uns natürlich auch angeschaut, wie das bei vergleichbaren Projekten gehandhabt wird, und es ist tatsächlich so, dass die Kosten in den meisten Fällen von den Verkäufer:innen getragen werden», erklärt Claudia Poppe, die beim Augustin für Digitalprojekte und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Beim täglichen Verdienst der von Armut betroffenenen Augustin-Verkäufer:innen noch die Transaktionsgebühren abzuziehen, wäre schlichtweg grotesk. In einer ersten Testphase kann der Verein die anfallenden Gebühren übernehmen. Aber danach muss eine langfristig finanzierbare Lösung her, die nicht auf Kosten der Verkäufer:innen geht.

Weitergabe der Gebühren an die Leser:innen?

Und wenn nicht die Verkäufer:innen, sondern die Kund:innen für ihre bevorzugte Zahlungsmethode zahlen? Das haben wir Finanzdienstleistungsexpertin Benedikta Rupprecht von der Arbeiterkammer Wien gefragt – die aber verneint: «Eine Weitergabe von Entgelten an Konsument:innen ist nicht möglich, da Händler:innen und Zahlungsempfänger:innen für die Verwendung eines bestimmten Zahlungsinstrumentes gesetzlich keinen Aufschlag machen dürfen. Es wäre nur umgekehrt möglich: also Kund:innen einen Rabatt vom Verkaufspreis zu gewähren, wenn etwa bar gezahlt wird.»

«Augustina» bestmöglich umsetzen

Die Redaktion freut sich über einen offenen Diskurs und weitere Expertise zum Thema. Die technische Lösung für «Augustina» ist derzeit noch in Arbeit. Wer sich einbringen möchte, findet am Ende des Artikels nähere Infos zu den Expert:innen-Boards.

Die Augustin-Verkäufer:innen werden natürlich auf das neue Bezahlsystem eingeschult, dazu sind auch Deutschkurse geplant. Ob sie die bargeldlose Bezahlmöglichkeit zusätzlich anbieten wollen oder wie bisher nur auf Bargeld setzen, bleibt ihnen aber freigestellt.

Zusatzfunktion

Im Zuge des Digitalisierungsprojekts soll auch eine aktualisierte Standplatzkarte online gehen, auf der sich Verkäufer:innen, wie gehabt, mit ihren Verkaufszeiten registrieren können.

Nächste Termine für die Expert:innen-Boards sind der 3. und 9. Mai, jeweils um 18 Uhr in der Augustin-Lounge, 1050 Wien, Reinprechtsdorfer Straße 31/Hof. Bei Interesse bitte um Anmeldung per Mail bei: strawanzerin@augustin.or.at

Zur Studie der Österreichischen Nationalbank: https://www.oenb.at/Presse/thema-im-fokus/2020-2021/bargeld-kartenzahlungen.html

Nähere Infos zum Thema Bargeldlos Bezahlen der AK Wien: https://wien.arbeiterkammer.at/bargeldlos