Lokalmatador
Pero Rosandić rappt in Wien. Außerdem rettet er völlig Verzweifelte an der EU-Außengrenze.
TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG
Wien, Oida – bleib so leiwand, bleib so stoak / Wien, Oida – bist mei Lebm, bist mei Ort / Wien, Oida – bleib so ehrlich, bleib so hoat / Heasd Wien, Oida – heasd Wien, Oida. Im Hip-Hop findet Pero Rosandić den Ton, um sein nicht gebrochenes, aber auch nicht ergebenes Verhältnis zu seiner Heimatstadt auszudrücken.
Kid Pex.
Als Kid Pex spielt er mit der Rhetorik einer Jugend, die sich vom Angebot der hiesigen Kulturelite kaum angesprochen fühlt. Dabei hilft ihm, dass er selbst in mehr als nur einer Sprache zuhause ist. Wien ist für ihn Wien, aber manchmal sagt und rappt er auch «Beč, Oida».
«Ich war sieben Jahre alt», erzählt der gebürtige Kroate, «als wir aus der Luft angegriffen wurden.» 1991 war das. Die Angriffe auf seine Geburtsstadt Zagreb waren nicht so intensiv wie die heutigen Angriffe auf die Städte in der Ukraine. Aber heftig genug, dass er heute präzise beschreiben kann, wie sich das für ein Kind anfühlt: die Angst in den Augen der Mutter, die eigene Fadesse im Keller bis zum Ausklingen eines Fliegeralarms; die stolz zur Schau getragenen Militäruniformen, wenn er mit den Kids in der Nachbar_innenschaft spielte; die pure Freude über die Tore der Fußballer mit den rot-weißen Schachbrettmustern auf ihren Trikots.
Dass er heute im Café Ritter an der Mahü schlechteren und dazu teureren Kaffee trinken muss als vergleichsweise in den Kaffeehäusern auf dem Zagreber Blumenplatz, das hat Pero Rosandić seinen Eltern zu verdanken: Sein Vater, ein Geschäftsmann, und seine Mutter, eine Germanistin, haben vor dreißig Jahren kriegsbedingt in Gumpendorf ein zweites Leben begonnen.
Leicht dürften sie es mit ihrem Pero nicht (immer) gehabt haben. Heute noch lacht im Café Ritter der Spitzbub aus ihm: «Ich habe immer versucht, der Pädagogik auszuweichen.»
Tschuschenrapper.
Ganz ist ihm das aber nicht gelungen. Heute spricht der «Tschuschenrapper», wie sie ihn in Wien auch schon tituliert haben, zumindest sechs Sprachen fließend: Deutsch («Auch dank meiner Mutter.»), Gumpendorferisch, Jugo-Wienerisch, Hochkroatisch («Mein Großvater war Linguist und hat Schulbücher geschrieben.»), Serbisch und Bosnisch («Ich habe hier in Wien viele Freunde und Freundinnen vom Balkan, Wien bietet uns eine gute Plattform zur Versöhnung.»).
Während seiner Schul- und Studienzeit hat der Mehrsprachige für die Morgen- und die Abendzeitung in Zagreb Korrespondentenberichte aus Wien gemailt, in erster Linie über Fußball, aber auch über Natascha Kampusch oder Jörg Haider.
Antifašista, Anti-Anti-Antifašista / Nein, Herr Minista, ich bin Antifašista / Antifašista, Anti-Anti-Antifašista / Mit Antifa-Brudi und Antifa-Sista / Nein, Frau Magista, ich bin Antifašista / Antifašista, Anti-Anti-Antifašista. Das performt Kid Pex vor dem Kaffeehaus für uns. Pero Rosandić erläutert dazu: «Ich habe als Kind lange nach einer Heimat gesucht, ich habe diese dann im Hip-Hop gefunden.» In seinen Workshops in Jugendzentren will er Jüngere auf die Chancen aufmerksam machen, die ihnen ihr Aufwachsen in verschiedenen Welten bietet.
Wer diese Chancen erkennt, ist auch nicht anfällig für die Rhetorik jener, die uns ständig einreden wollen, dass wir besser wären als andere.
Pero Rosandić selbst ist heute ein Demokrat zwischen den Stühlen. Er rappt auf dem politischen Parkett ohne mächtige Anschieber_innen hinter der Bühne. Genau deshalb muss er sich aber auch kein Blatt vor den Mund nehmen. Auch beherrscht er die Kunst, aus sehr wenig (Geld) sehr viel Konkretes zu machen.
SOS Balkanroute.
Vor Kurzem hat der Bürgermeister der nordbosnischen Grenzstadt Bihać in einem Interview mit dem Kurier angemerkt, dass ohne die permanente Hilfe der österreichischen NGO SOS Balkanroute in seiner Stadt schon längst eine humanitäre Katastrophe ausgebrochen wäre.
Rappen & Retten: Gründer und ständiger Antreiber dieser Hilfsorganisation ist ein 38-jähriger Wiener. Auch er war auf der Balkanroute unterwegs, wenn auch nicht so prekär wie die, die heute flüchten müssen. Doch womöglich hat ihn seine eigene Geschichte dazu gebracht, den völlig Verzweifelten an der EU-Außengrenze zu helfen.
Den Pero kennen sie aber nicht nur in Bihać. Mittlerweile ist sein Name auch in serbischen Flüchtlingslagern an der ungarischen Grenze ein Begriff. Zu Recht: Mit einem kleinen Ehrenamtlichenteam und vielen Unterstützer_innen gelingt es ihm, punktgenauer zu helfen als die mächtige Europäische Union. Pravo na život – Recht auf sein Leben / Pravo na ljubav – Recht auf Liebe / Pravo na rad – Recht auf a Hock’n / Pravo na dom – Recht auf sein Platzerl.