Bedauern, aber kein Bereuentun & lassen

Kein «Tag der Zivilcourage» mehr?

Andreas Hennefeld, Sozialarbeiter beim Augustin und Obmann des Augustin-Herausgebervereins Sand & Zeit, wirft einen Blick zurück – und einen in die Zukunft.

Foto: Joseph Mondl

Via E-Mail wurde mir von Seiten der Direktion des Gymnasiums Kundmanngasse mitgeteilt, dass die Teilnahme des Augustin am «Tag der Zivilcourage» zukünftig nicht mehr erwünscht sei. In diesem Schreiben hat sich die Initiative Zivilcourage ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit und Mitwirkung des Augustin in den bisherigen Jahren bedankt. Diesen Dank möchte ich gerne für die Einladungen zurückgeben! Wir haben uns gerne beteiligt, die Arbeit und der Austausch mit den Schülerinnen und Schülern waren stets interessant, befruchtend und spannend.

Begonnen hat unser Mitwirken am Tag der Zivilcourage am GRG3 Kundmanngasse im Jahr 2013 mit einem Forumtheater-Workshop, den unser 11% K.Theater abhielt. Ab 2014 sind mein inzwischen pensionierter Redaktionskollege Robert Sommer und ich durchgehend beteiligt gewesen. Im Jahr 2014 haben wir die Schüler_innen zu einer Exkursion auf den Praterstern eingeladen. Der Praterstern galt und gilt als Hotspot, der auch von marginalisierten Gruppen wie Obdachlosen als Treffpunkt genützt wird. Dies war für uns auch der Grund, die Schüler_innen einzuladen, dort die unterschiedlichsten Gruppen zu interviewen: Obdachlose, Passant_innen, Vertreter_innen der Exekutive und der ÖBB sowie Geschäftsleute.

 

Bettelaktionen mit Schüler_innen

2015 haben wir das erste Mal eine Bettelaktion durchgeführt. Von einem Straßenmusiker begleitet, bettelten wir gemeinsam mit den Schüler_innen einer 7. Klasse vor dem Stephansdom. Schon damals ist die Polizei eingeschritten, allerdings nur, um uns darauf aufmerksam zu machen, dass die katholische Kirche das Betteln vor dem Dom nicht erlaube und dass Straßenmusik ohne Platzkarte nicht gestattet sei.

Das Jahr darauf sind wir auf den Spuren des Zetteldichters Helmut Seethaler gewandelt, und für den heurigen Tag der Zivilcourage setzten wir uns mit Schüler_innen einer 4. Klasse mit dem System Schule mit seinen Regelungen und Verordnungen auseinander. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass hauptsächlich Unzufriedenheit wegen des temporären Handyverbots und der Hausschuhpflicht besteht, aber auch um Bekleidungseinschränkungen.

Im Laufe des Vormittags wurde von Schüler_innen noch der Wunsch nach einer Exkursion kundgetan (die letztjährigen hatten sich herumgesprochen). Spontan führten wir wieder eine Bettelaktion durch, dieses Mal am Bahnhof Wien Mitte, und dieses Mal wurde seitens der Polizei mit einer Anzeige gedroht.

Eine Passantin holte die Polizei, weil wir mit Kindern betteln und uns daher strafbar machen würden. Die Polizist_innen nahmen die Daten von den beteiligten Schüler_innen, vom Begleitlehrer und von uns auf, obwohl wir betonten, dass es sich im Rahmen des Tages der Zivilcourage um eine Feldforschung handle und der Augustin alleine die Verantwortung für die Aktion trage, da niemand von der Schule in die Idee oder Planung eingeweiht worden sei.

Unmittelbar nach der Amtshandlung gingen wir zurück in die Schule. Unerfreulicherweise ist dort keine Zeit für eine Nachbesprechung geblieben, denn die Schüler_innen mussten zurück in den Unterricht.

 

Zivilen Ungehorsam lernen

Ich bedauere, der Initiative Zivilcourage und der Schulleitung erheblichen Aufwand und Scherereien verursacht zu haben. Der Ärger und somit auch die Entscheidung, uns nicht mehr einzuladen, sind verständlich und nachvollziehbar. Dass die Schule jeglichen Konflikt mit der Polizei vermeiden will, ist einleuchtend. Trotzdem betone ich, dass der Augustin und meine Person, diese Aktion in keiner Weise bereuen, mehr noch, ich würde von der bisher gelungensten Lehrveranstaltung zum Thema Zivilcourage sprechen.

Unsere Haltung ist nur dann verständlich, wenn man sich vor Augen hält, wie der Augustin Zivilcourage definiert und interpretiert. Wir sehen hier nämlich eine fließende Grenze zum «zivilen Ungehorsam». Wir veranstalten solche und ähnliche Aktionen nicht aus Jux und Tollerei, sondern um Missstände, Unrecht und Verfolgung Marginalisierter aufzuzeigen und zu diskutieren. Das ist der ureigenste Anspruch des Projekts Augustin. Wir erleben sowohl in der täglichen Arbeit mit unseren Verkäufer_innen dieses Unrecht als auch von Betroffenen oder Zeug_innen, die sich an die Redaktion wenden. Es gibt keine bessere Methode, Ungerechtigkeit zu verstehen und wahrzunehmen, als sie selbst ein Stück weit zu erfahren. Ich wage zu behaupten, dass die Schüler_innen diesbezüglich noch nie so viel gelernt haben. Auch der Umstand soll hier betont werden, dass die Schule wegen abstruser Behördenlogik einen solchen Aufwand betreiben musste.

Darüber hinaus handelt es sich um einen klassischen Interessenskonflikt. Der Augustin ist genau dafür da, um solche gesellschaftlich relevanten Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Eine Schulleitung möchte hier eher den Ball flach halten. Und es ist schon eine besondere Ironie, dass gerade «Zivilcourage» das Thema dieser Diskussion ist. Nebenbei angemerkt sollte es auch zum Nachdenken anregen, dass Betteln in den hier geschilderten Fällen verpönt ist und mit Strafen bedroht wird, während das Geldsammeln der Kinder für den Stephansdom oder die Sternsingeraktion in einem ganz anderen Licht gesehen werden.

 

Gerne wieder!

Zusammenfassend bedaure ich die Unannehmlichkeiten, die die Schule mit uns hatte, sehe aber aus unserer Position heraus diese als unumgänglich, da ziviler Ungehorsam zwangsläufig irgendwann auch zu Konflikten führt. Ich wünsche für die Zukunft des Tags der Zivilcourage viel Erfolg und halte fest: Das Augustin-Team wäre gern bereit, wieder Workshops zum Thema anzubieten.

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