Befehl und Gehorsamtun & lassen

BFA gegen Asyl in Not. Ein Prozess gegen den Verein Asyl in Not wirft Fragen von Zivilcourage, Meinungsfreiheit und individueller Verantwortung auf. Christian Bunke war im Wiener Landesgericht dabei.

Die Menschenrechtsorganisation Asyl in Not hatte zu «solidarischer Prozessbeobachtung» aufgerufen, und dutzende Menschen kamen. «Das BFA möchte eine Kriminalisierung der solidarischen Rechtsvertretung, unserer damit einhergehenden politischen Arbeit und in weiterer Folge die Zerstörung unserer wirtschaftlichen Existenz», schrieb die Organisation in dem Aufruf. Der Saal im Wiener Landesgericht war für die vielen Interessierten zu klein. «Ich lasse keine Stehplätze zu» schnarrte Richter Gerald Wagner ins immer noch hineinströmende Publikum. Als Einzelne anfingen, Sitzbänke aus dem Wartebereich vor der Tür in den Saal hineinzutragen, wurde es ihm zu bunt: «Ich bitte Sie, muss ich wirklich den Sicherheitsdienst rufen lassen?»
Thema der Verhandlung am 16. Juli war die Klage eines Mitarbeiters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Der sah sich als Opfer übler Nachrede durch den Verein Asyl in Not, der im Prozess durch Obmann Michael Genner vertreten wurde. Der Verein habe dem Beamten Amtsmissbrauch unterstellt und ihn in sozialen Medien rassistischer Behördenwillkür bezichtigt.

Teure Verteidgung.

«Tatsächlich ist es unsere Politik, Namen und Adressen von Verantwortlichen zu nennen. Unrecht hat Namen und Adresse», sagt Michael Genner im Gespräch mit dem AUGUSTIN. «Wir haben das 20 Jahre ohne Probleme so gemacht, erst seit der Amtszeit von Innenminister Kickl haben wir damit Probleme, die auch mit der neuen Regierung weitergehen. Wir verteidigen hier die Meinungs- und Pressefreiheit.» Diese Verteidigungsarbeit kann teuer werden. Der klagende Beamte wollte 20.000 Euro Schadenersatz.
Wenn Asyl in Not der Behörde «Willkür» unterstellt, bezieht sie sich auf eine Aussage von Heinz Pazelt, dem Generalsekretär von Amnesty International in Österreich. Der kritisierte damit in der Tageszeitung Der Standard vom 20. Juni 2019 die Bedingungen im sogenannten «Rückkehrzentrum am Bürglkopf» in Tirol. Im Juni gab es gegen die Zustände dort einen Hungerstreik, welcher das Thema wieder auf die Tagesordnung setzte.

Anlassfall Bürglkopf.

In das auf 1250 Metern Höhe gelegene und mehrere Stunden Fußmarsch von der nächsten Ortschaft entfernte Lager werden Menschen geschickt, gegen welche das BFA eine sogenannte «Wohnsitzauflage» erlassen hat. Neben dem Lager am Bürglkopf gibt es zwei weitere, sie alle befinden sich in eher abgeschiedenen Lagen. Zweck dieser Einrichtungen ist es, Asylsuchende derart zu entmutigen, dass sie sich zu einer «freiwilligen» Ausreise aus Österreich entscheiden. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren diese Praxis scharf.
Konkreter Anlass für die jüngste Kritik ist ein Fall aus dem Jänner 2019. Ein in Wien lebender Geflüchteter wurde vom BFA dazu verdonnert, sein soziales Umfeld zu verlassen und an den Bürglkopf umzuziehen. Der Beamte, welcher dies veranlasst hatte, wurde in Folge von Asyl in Not online geoutet. Im Prozess sagte der klagende BFA-Beamte aus, er habe die Wohnsitzauflage veranlasst, weil die betroffene Person sich unkooperativ gezeigt habe. Auf die Frage, was dies bedeute, antwortete der Beamte: «Er hat sich geweigert, das Land zu verlassen.»
In Folge kam es im Gericht zu einem Schlagabtausch über die individuelle Verantwortung. Der Beamte erklärte, er habe keine Wahl gehabt, im Gesetz stehe das so drin. Dem hält Asyl in Not entgegen, dass es sich bei der Wohnsitzauflage um eine «Kann-Bestimmung», also keine verpflichtend zu verhängende Maßnahme handle. Gegenüber dem AUGUSTIN sagte Michael Genner: «Jede Kann-Bestimmung wird sofort als Muss-Bestimmung interpretiert. Das haben wir über die Jahre immer wieder durchaus mit Erfolg bekämpft, und werden das auch weiter machen.»
Über die Lebensbedingungen am Bürglkopf zeigte sich der Beamte nicht informiert: «Ich arbeite seit 2015 für die Behörde, ich habe mich nie danach erkundigt, wie es dort ausschaut.» Es gab auch andere Ungereimtheiten: Scheinbar stellt das BFA Bescheide aus, die mit Standard-Textbausteinen gefüllt sind. Diese müssen nicht immer auf den konkreten Fall zutreffen. So war im Akt zu lesen, dass der Geflüchtete über sein Herkunftsland gelogen habe. Dass das aber falsch war, merkte auch der Richter im Verfahren an. Der Beamte begründete das mit Überarbeitung: «Ich habe an manchen Tagen 60 Fälle auf einmal auf meinem Tisch liegen.»

Berufung gegen das Urteil.

Asyl in Not wurde zu 1.500 Euro Strafe wegen übler Nachrede verurteilt. Er habe die Strafe am unteren Ende der Skala angesetzt, um den Verein nicht zu gefährden, so der Richter. Der Verein habe jedoch unterstellt, dass jeder, der am Asylsystem mitwirke, ein Rassist sei. Außerdem solle man die Bedingungen «in der Einöde» nicht mit Internierungslagern vergleichen, auch wenn die Bedingungen am Bürglkopf «schrecklich» seien. Der Verein hat inzwischen angekündigt, in Berufung zu gehen. «Es haben schon weitere BFA-Beamte Klagen gegen uns angekündigt. Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen. Wir werden weiter mit unseren Mitteln für das Recht auf Freizügigkeit kämpfen und die Zivilgesellschaft dafür mobilisieren.» Dieser Kampf kostet Geld, Asyl in Not sammelt Spenden, Kontodaten siehe Homepage.

www.asyl-in-not.org

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