Musikarbeiter unterwegs … mit Beachgrunger_innen im meerlosen OTK
Never Enough heißt das Debütalbum der Wiener Baits. Das Quartett mit endlich konsolidiertem Line-up tritt dabei ganz vortrefflich Popo.
Text: Rainer Krispel
Foto: Mario Lang
«Wir gehen wieder nach Spanien und werden Architekten», sagten – und setzen es dann erfolgreich in die Tat um – Miguel und Javier, die zuvor als Zeitweise-Wiener 2014 Sonja Maier, Sängerin und Gitarristin der Carousals, zu einer «Nebenband» überredeten: Baits! Die seither, 2018 lösten sich die Carousals auf, zur Hauptband der leidenschaftlichen Musikerin und Songwriterin geworden sind. Was die Veröffentlichung des 10-Songs-Albums Never Enough, am letzten Freitag im Jänner 2021 beim verdienten Label Numavi erschienen, eindrucksvoll unterstreicht. Obwohl der TextMusikarbeiter schon ein Monat lang Straight Edge und damit sinnenklar ist, verwirrt ihn die Geschichte des Baits-Line-ups, ein munteres Instrumentalisten-wechsel-dich, trotz Gesprächsmitschnitt und Internet-Recherchemöglichkeit doch ein wenig. Fakt ist: Zur Veröffentlichung und in der vorhersehbaren Zukunft ist und bleibt die Band: Sonja, Stimme und Gitarre, Christopher, Gitarre und Stimme, Julian, Bass, und Gregor, Schlagzeug und Stimme. Letzterer wurde rekrutiert, als Sonja drei Monate in L. A. war, um Gitarrenunterricht zu nehmen: «Wir brauchen einen g’scheiten Schlagzeuger!» Back home in Wien dann ganze zwei Proben, und ab in den Bandbus! Nicht nur als Liveband – als dies noch möglich war, haben Baits außer in A in Deutschland, Italien, den Niederlanden, Tschechien und Ungarn gespielt – hat ihr «Pop mit größtmöglichem Rotzanteil» (Sonja) einen definitiv grenzüberschreitenden «reach». Wie es Gregor formuliert, der in der Punk-D.I.Y.-Szene sozialisiert wurde und dem die Musik erwerbsunabhängig Lebensinhalt ist.
The Sound of Donauinsel Beach?
Baits trauen sich zu, kreativ zu spielen, mit Bedeutungen und Musik-(Sub-)Kulturversatzstücken. So sind Fuzzpop und Beachgrunge Angebote zur stilistischen Verortung ihrer Musik, die sie, anders als diese Musik selbst, nicht sonderlich ernstnehmen. Beginnend mit dem wunderbaren Coming After Me bis zum abschließenden French Film Noir hat das eine ansteckende, teils überbordende Energie und einen Pop-Appeal, der nicht nur einen Song nachhaltig in den Gehörgängen verankert. Endgültig schmilzt das Schreiberherz bei Parallel Universe, einem Lied, das als bewusster oder unbewusster Charlie Don´t Surf (The Clash) Lift-of anhebt, um dann ganz etwas anders zu werden. Formidabel! Der 50+ Musikarbeiter assoziiert Bands wie die Fastbacks oder Hole, die Dreißigerin Sonja meint, der Hole-Vergleich sei ob ihrer rauen Art, die Stimme einzusetzen, nichts Neues: «Für mich hat Kim Deal (Pixies, Breeders) wesentlich mehr Einfluss als eine Courtney Love.» Das eigene Songwriting sieht sie als «emotional, sehr situations- und melodiegebunden». Dabei lässt sie gewollt Platz für die Zuhörer_innen, eigene Assoziationen und Emotionen in den Songs aufzuspüren, ist sich aber, anders als so viele Kolleg_innen, der «Meta-Ebene des Worts» stets bewusst. «Es hilft, dass Sonja als Englisch-Lehrerin arbeitet», merkt der Drummer und Produzent an, der wohl schon einige gute Sänger_innen an dem hohlen Zeug, dass sie da so von sich geben, scheitern hörte.
Video mit Safeword.
Mit dem Livesektor weiterhin unfreiwillig «out to lunch» und dem Stattfinden der gebuchten Tour zum Album sehr unwahrscheinlich, gibt es für Baits immer noch genug zu tun, sich mit der Band busy zu halten. Neben neuem Material, das mit dem gewachsenen Line-up weg davon geht, dass die Songs zu 99 % so passieren, wie Sonja sie bringt, ist dazu stimmige Präsenz in den sozialen Medien heute unerlässlich für eine Band. Zu fünf Singles gab es Videos. Bei What’s On Your Mind köstlich mit Black Metal Corpse Paint und einem satanischen Digital-Drucker/Kopierer-Opferritus. Zu Liberate You, einer Mischung aus «Highschool Musical und Blair Witch Project», wo die «Boyfriends» dazu herhalten mussten, Sonja und Regisseurin Kurdwin Ayub maskiert, abgesprochen, aber ernsthaft zu überfallen. Was für alle Beteiligten emotionalen Nachbereitungsbedarf erzeugte. Sonja sieht in dem Lied einen Aufruf, sich von Konventionen zu befreien, nicht nur auf Geschlechter-Rollen bezogen: «Wer will ich eigentlich wirklich sein als Mensch?» Nicht umsonst zeigt das Album-Cover einen Burger, dessen Schichten bezeichnet mit «Pain», «Fun», «Drama», «Love», «Trauma» und «Anger».
Baits: Never Enough
(Numavi Records)
baitsmusic.com