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Ausländerfeindlichkeit hat nur indirekt mit Ausländern zu tun. Ob Ottakring oder das ausländerfreie Kaisermühlen in Wien, die Ablehnung ist gleich hoch. Im ehemaligen Ostdeutschland ist Ausländerfeindlichkeit um ein Wesentliches höher als in Westdeutschland. Nur gibts im Osten kaum Ausländer. Ablehnung und Ausländerfeindlichkeit sind Machtspiele um die Rangordnung in der Gesellschaft. Zum Ausländer wird, wer auf sozialer Distanz gehalten werden soll.Fremdheit ist ja nicht eine Eigenart des anderen. Sie entsteht vielmehr dadurch, dass das andere als Fremdes wahrgenommen und anerkannt wird. Wer als Ausländer definiert wird, ändert sich ständig. Vor 100 Jahren waren die MigrantInnen aus Böhmen und Mähren die Ausländer. Besonders beklagte man sich über ihre mangelnde Anpassung, ihre Rückständigkeit, die dreckigen Wohnverhältnisse und ihre Herkunft aus der Landwirtschaft (Bauerntölpel).
Die Regeln, die Ausländer unterscheidbar machen, sind:
(a) Man erkennt sie am Gesicht. (b) Ausländer sind Personen aus den ärmeren und armen Regionen der Erde. (c) Je geringer das Bruttoinlandsprodukt des Herkunftslandes, desto größer die Ablehnung. (d) Je länger der soziale Unterschied im Zielland bestehen bleibt, desto größer die Ablehnung.
Die Ablehnung steigt nicht mit der Zahl der Ausländer, sondern mit der Zahl der einkommensschwachen Ausländer-Haushalte. Das Merkmal zur Unterscheidung der Menschen in gute und schlechte ist: das Geld. Wer es hat, der ist kein Fremder, wem es abgeht, der wird zum Fremden. Wer auf Dauer unten bleibt, ist fremder als jemand aus der derselben Herkunftskultur mit gehobenerem Lebensstil. So verstärkt sich Be-Fremdung: Der Sozialwissenschaftler August Gächter hat das in die Formel Aussschließung macht arm, Armut macht fremd, Fremdheit macht Angst gebracht.
Das ist das Grundthema von Ängsten, Ablehnung, Feindlichkeit in den europäischen Wohlfahrtsstaaten: Es geht um die Aufrechterhaltung des sozialen Abstands zu den Dazugekommenen. In schwierigen und weniger schwierigen Zeiten ist das für alle erfahrbar durch die Sorge um den eigenen sozialen Status. Nicht das laufende Einkommen ist wichtig für den sozialen Status, sondern der Besitz an dauerhaften, somit herzeigbaren Konsumgütern. Dazu gehört besonders das, was man mit sich herumträgt: Kleidung, Uhr, Schmuck, Tasche, Handy. Und das, was man sieht: Fahrzeug, Lage der Wohnung, Möbel, Ausstattung der Küche etc. Dauerhafte Armut anderer wird im selben Maße wie sozialer Aufstieg von der jeweils bessergestellten Gruppe als Bedrohung interpretiert. So werden auch die Aufstiegsbemühungen von MigrantInnen misstrauisch beobachtet und als illegitim betrachtet: Das kann ja nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.
In den 1960ern und 1970ern kam die dritte Generation aus der Einwanderung von vor 1914 in der Mittelschicht an. Geboren so um 1930. Manche wurden gar Bundeskanzler. Heute steht der Aufstieg der Kinder und Enkel der Einwanderung der 1960er und 1970er auf der Tagesordnung.
Integration ist auch eine Frage sozialer Rangordnung. Zum Ausländer wird, wer auf Distanz gehalten werden soll. Je weniger sozialer Aufstieg, desto befremdender. Für alle.