Behänd auf den Beinenvorstadt

Seit 1896 olympische Disziplin: Fechten

Fechten gehört zu den Kampf­sportarten, die im wahrsten Sinne mit der feinen Klinge ausgeführt werden. Ein Trainingsbesuch in der Fechtabteilung des Wiener Sport-Clubs. Text & Fotos: Wenzel Müller

Wiener Sport-Club – bei dem Namen denken viele als Erstes an den Hernalser Fußballklub, der 1958 Juventus Turin sensationell eine 7:0-Klatsche verpasste und heute insbesondere bei sich links verstehenden Fußballanhänger_innen hoch im Kurs steht. Doch der Verein ist mehr als ein Fußballklub. Am Beginn war er ohnehin nur ein Radfahrer_innenverein. Es waren die Cyclist_innen, die den Wiener Sport-Club ins Leben gerufen hatten, das war 1883. Im Laufe der Zeit kamen dann immer mehr Sportarten dazu, heute sind es insgesamt acht, darunter etwa Squash, Wasserball und Schwimmen.
Die Fechter_innen bilden eine der ältesten und erfolgreichsten Sektionen, mit Roland Losert können sie immerhin einen Fechtweltmeister ins Feld führen. In der Öffentlichkeit ist dies allerdings kaum bekannt. Fechten ist eben eine Randsportart, gewissermaßen das genaue Gegenstück zum Fußball. Hier die Jagd nach dem Ball, dort das Duell mit der Klinge. Hier das Massenvergnügen, dort das singuläre Kräftemessen.

Mit großem Gepäck ins Training.

Eine Schule im 17. Bezirk. Hier haben die Fechter_innen des Wiener Sport-Clubs regelmäßig Training. Im Gegensatz zu ihren Fußballkolleg_innen besitzen sie keine eigene Sportstätte und müssen sich in Schulen einmieten. Was nicht zuletzt erklärt, warum sie zum Training jeweils mit großem Gepäck anrücken: Ihre Ausrüstung, immerhin aus Waffe, Maske und Schutzkleidung bestehend, können sie nicht in der Schule lassen.
Bis ins 19. Jahrhundert duellierten sich Männer gerne, um ihre Ehre zu verteidigen. Vor etwas mehr als 100 Jahren wurde Fechten eine olympische Disziplin. Wobei Fechten nicht gleich Fechten ist. Je nach Waffe wird zwischen diesen drei Disziplinen unterschieden: Florett, Degen und Säbel. Die Fechtabteilung des Wiener Sport-Clubs hat sich auf Säbel spezialisiert, die Hieb- und Stichwaffe.
Die Sportler_innen wärmen sich auf, sie drehen Runden in der Halle; alle machen mit, Junge und Alte, Männer und Frauen. Nicht wie ein elitärer Klub, sondern eher wie eine große Familie wirken da die Fechter_innen. Klar, man hat nur wenige Mitglieder und kann daher auch nicht groß aufteilen.
Lukas Chiari ist 16 Jahre alt. Er gilt als eine der großen Nachwuchshoffnungen des Vereins. Mehrere Wettkämpfe hat er schon gewonnen. Warum er sich gerade fürs Fechten entschieden hat? Bei diesem Kampfsport, sagt er, komme es nicht nur auf Kraft an, sondern auch auf Technik, und dies gefalle ihm.
Der Oberkörper aufrecht, die Knie gebeugt, zeigt der eine Fuß nach vorne, der andere, in 90 Grad abgewinkelt, zur Seite: So sieht die Grundstellung aus. Und in der bewegt er sich auch, vor und zurück, je nachdem, ob er angreift oder verteidigt. In der einen Hand hält er die Waffe, die andere ist hinten auf dem Rücken abgelegt.
Die Beinarbeit ist bei diesem Sport sehr wichtig, das wird dem Beobachter schnell klar. Die gleitenden Bewegungen haben fast etwas Ballettartiges. Gleichzeitig hat der Körper aber unter Vollspannung zu stehen. Bei einem Kampf kommt es nämlich darauf an, den Gegner mit einem blitzschnellen Vorstoß zu überraschen bzw. ebenso schnell diesen Angriff abzuwehren. Beim Boxen kann schon einmal Blut fließen, die Fechter_innen hingegen sind so gut geschützt, dass die Klingen ihnen nicht wirklich etwas anhaben können. Gut für die Sportler_innen, schlecht für die Popularität des Sports.
In der Theorie ist die Sache klar: Der Fechter, die Fechterin muss etwas von der Sprunghaftigkeit einer Katze, dem taktisch-strategischen Verständnis einer Schachspielerin und der feinmotorischen Fertigkeit eines Geigenspielers besitzen. Um auf einen Angriff mit einer Riposte zu antworten. Oder eine Konterattacke auszuführen. Oder mit einer Finte zu täuschen.

Das Treffervorrecht.

Doch dann, als ich einem Duell zuschaue, verstehe ich nur noch Bahnhof. So schnell erfolgt der Kampf, das Angreifen und Parieren, dass ich überhaupt nicht mitbekomme, wer gerade einen Treffer gelandet hat. Die Fechter_innen sind verkabelt, und an der Seite leuchten Lämpchen auf, doch die helfen mir auch nicht viel weiter. Die Verständnisschwierigkeit rührt vor allem von einer zentralen Regel in diesem Sport her: dem sogenannten Treffervorrecht. Es ist nämlich nicht so, dass die Kontrahent_innen einfach aufeinander losgehen können. Vielmehr hat nur immer eine_r von ihnen das Angriffsrecht und kann Punkte machen – das Verwirrende ist nun, dass dieses Treffervorrecht während eines Kampfs blitzschnell wechseln kann, je nach ausgeführter Aktion.
Im Fußball mag die Abseitsregel Schwierigkeiten bereiten, doch ein erzieltes Tor vermögen noch die unbedarftesten Zuschauer_innen zu erkennen. Einen Fechtkampf zu verfolgen, setzt dagegen tiefere Vertrautheit mit dem Regelwerk voraus. Zum Massenvergnügen wird dieser kleine, feine Sport nicht so schnell aufsteigen.