Bei den bösen Bubenvorstadt

Der Triester SC galt einmal als härtester Verein Wiens, dominiert vom Familien-Clan der Dobers. Zuletzt ließ man jedoch vor allem sportlich aufhorchen. Text: Hannes Gaisberger, Fotos: Carolina Frank

Das Wetter ist zwar erdenklich schlecht in dieser ersten Februarwoche, aber «die Triester» lassen deswegen nicht den Trainingsstart in die Rückrunde ausfallen. Man ist punktegleich mit dem Tabellenführer Dritter in der Oberliga A und will beim Meisterkampf im Frühjahr gerne mitmischen. Unter den Augen von Obmann und Trainer Alexander Zemanek sprinten die eingemummten Kicker über den Platz. Marcus Aigner, EDV-Beauftragter und Pressesprecher, kämpft am Spielfeldrand gegen die Kälte an. Leicht tänzelnd und sich mit gelegentlichen Zigaretten einheizend, erklärt er mir den Kosmos Triester.
Ein familiärer Verein sei man noch immer. Trainerobmann Zemanek ist sein Cousin, Obmann-Stellvertreter Andreas Dober ist sein Schwager. Im Kader fänden sich auch noch eine Handvoll Sprösslinge des Dober-Clans. Man könne allerdings nicht behaupten, dass viele Spieler aus dem Triesterviertel stammen. «Wir haben eine Gruppe Vorarlberger Studenten, Syrer und Afghanen, ein paar Polizisten. Das ist schon eine gute Mischung.» Dazu konnte man in der Sommerpause ein paar Routiniers ins Team holen. «Wir haben dann einen Lauf bekommen. Vor einem Jahr haben wir den Abstieg erst im letzten Spiel in der 70. Minute abwenden können. Heuer spielen wir ganz vorne mit.» Dass man in der Fairplay-Tabelle des Wiener Verbandes wieder einmal ganz unten steht, will Aigner nicht überbewerten. «Wir haben keine einzige direkte rote Karte bekommen.»

Heimelige Auswärtsspiele.

Den Verein gibt es seit Februar 1947. Herr Aigner hat sich die Statuten einmal durchgelesen, «da war der Ton noch ziemlich in Richtung Körperertüchtigung und dergleichen». Gespielt wurde am Berg-Karmel-Platz, der in den 90er Jahren aber einer Erweiterung des SMZ Süd weichen musste. Die Stadt Wien siedelte den Verein auf die weiträumige Anlage in der Eibesbrunnergasse 13 um. Je zwei Natur- und Kunstrasenplätze, Flutlicht, Platzwart, dazu eine sehr faire Platzmiete haben den Umzug erleichtert. Außerdem sind der SC Gradisce und der Margaretner AC mitgekommen, mit denen man sich nun schon seit Jahrzehnten den Platz teilt. Wenn man in der gleichen Liga spielt, freut man sich über die «Auswärtsspiele», die zugleich Platzderbys sind. Da kann es schon einmal zu einer dritten Halbzeit in der Kantine kommen.
Kurz vor Trainingsende retten wir uns in eben diese. Dort treffen wir Andreas Dober, der als letzter der «Dober-Brüder» noch im Verein aktiv ist. Er ist Onkel und Taufpate jenes Andreas Dober, der bei Rapid und im Nationalteam gespielt hat, dafür aber nie bei Triester. Den Kampfgeist der Familie hat er jedoch eindeutig mitbekommen. Sein Onkel Andreas hat seinen eigenen Sohn ebenfalls Andreas genannt, was schon zu netten Situationen mit Schwarzkapplern und der Polizei geführt hat.

Harte alte Zeiten.

Andreas Dober – der Onkel – hat jedenfalls beim Margaretner AC zu kicken begonnen, aber «das waren alles Studenten. Ich bin in der Kantine mit denen von Triester sitzen geblieben. Dann habe ich dort meine Frau, die ihren Eltern beim Ausschenken geholfen hat, kennengelernt. So bin ich reingewachsen.» Aber nicht nur er, um das Jahr 2000 haben fünf Dober und dazu drei bis vier Schwager gespielt, schätzt Aigner, einer von den Schwagern. «Der Andreas hat ein Leiberl angezogen, und er war ein anderer Mensch. Danach hat er es ausgezogen und war wieder der von vor dem Match.» Eine diplomatische Formulierung, die Dober so nicht stehen lassen will. «Ich hab den Fußball immer gelebt, und die Schiri nie wollen. Ein jeder macht mal Fehler, aber uns haben sie immer welche geschickt, die nur Fehler gemacht haben. Also die meisten roten Karten habe ich wegen motschkern gekriegt, und nicht wegen Foulspiel.» Eine Äußerung, die wiederum Aigner ächzen lässt. «Es ist vorgekommen, dass Spieler von uns mit den Gegnern in der Kantine gerauft haben. Aber obwohl die nicht von unserer Familie waren, ist das auf uns zurückgefallen», meint Andreas Dober. Er ist schon auch ein bisschen stolz, wenn er an die wilden Jahre zurückdenkt und auf den Ruf, den man sich über die Jahre erarbeitet hat. Er predige heute seinen Burschen dasselbe, was er sich früher anhören musste, grinst Aigner.

Zensern anyone?

Derzeit gibt es aber kaum etwas zu motschkern oder predigen. Mit einem Minimalbudget und ohne den Spielern etwas zahlen zu können, behauptet man sich in der Oberliga. Mehr als das, es winkt der Aufstieg. «Das ist ungewohnt. Aber natürlich sehr schön. Ich will eh nicht aufsteigen, weil wir es uns nicht leisten können. Aber wenn es so sein soll …», lässt Andreas Dober offen. Er und Marcus Aigner überzeugen sich gegenseitig, dass sie schon noch ein paar Jahre weitermachen, ob in der Oberliga oder weiter oben oder weiter unten. Auch ein Abstieg würde die Existenz des Vereins nicht gefährden. «Wir haben schon in jeder Klasse gespielt», wiegelt Dober ab.
Was bei Triester an Geld oder Glamour fehlt, wird mit familiärer Nähe kompensiert. Doch auch in der Kantine in der Eibesbrunnergasse bleibt die Zeit nicht stehen. Die Partnerinnen, Chefs und Verkehrspolizei des Jahres 2020 lassen ein geselliges Beisammensein mehrmals die Woche nicht mehr zu. Nachdem Trainer Zemanek zu uns gestoßen ist, verabschieden sich Aigner und Dober.
Alexander Zemanek hat seine Spieler in der Kabine auf die Rückrunde eingeschworen. An ihm liegt es nun, ein Gleichgewicht zwischen familiärem Wohlfühlen und gesundem Konkurrenzkampf zu finden. Übers Kartenspielen läuft das heute nicht mehr, so Zemanek: «Neunzig Prozent der Spieler können nicht mehr tarockieren. Und da rede ich noch gar nicht von Zensern oder Hosn obi. Die spielen höchstens noch Online-Poker.» Da der Trainer in seinem Brotberuf viel von Personalführung und Motivation gelernt hat, weiß er, was darüber in den Schulbüchern steht. In der Praxis wird aber nicht mit dem Fallschirm gesprungen und über Kohlen gelaufen, sondern nach den Spielen zusammengesessen. «Nachdem es hier kein Geld gibt, geht es nur um den Spaß. Die dritte Halbzeit gibt es auch bei uns. Was glauben Sie, was wir in diesen Räumlichkeiten schon alles erlebt haben?» Angesprochen auf die goldene Ära der Dober-Brüder muss auch Zemanek schmunzeln. «Ich habe ja selber gegen den Andi gespielt. Man muss schon sagen, auf dem Platz war der wahnsinnig.» Dass er nur Schiris hart angegangen ist, hält Zemanek für etwas geschönt. Wir wollen hier nicht ins Detail gehen, «aber auf dem Platz hat schon des Öfteren die Polizei anrücken müssen».
Für die Rückrunde im Frühjahr fühlt sich Zemanek gewappnet, wenn man schon einmal in so einer hervorragenden Ausgangsposition sei, will man auch um den Meister mitspielen. Mit einer guten Truppe, die zwar vielleicht nicht mehr so lang und so oft hängenbleibt, wie die Alten. Die aber Spaß am Fußball hat und die Nestwärme der eingeschworenen Triester-Partie genießt. Denn wenn man einmal in der Familie drin ist, sind sie ja ganz nett.