«Bei der Gerti»Dichter Innenteil

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin: Teil 1 der neuen Serie

Es ist gegen 3 Uhr in der Früh. Herr Hüseyin landet wieder bei der Gerti in dem Lokal «Iss und trink unbedingt». Nach acht Stunden Arbeit machte sich Herr Hüseyin heute Abend auf den Weg, um von der Hochkultur der Stadt halt auch etwas mitzubekommen.

Mit dem Auto fährt er in die Stadt Richtung Karlsplatz. Statt ins Akzent Theater zu fahren, um einem kurdischen Musiker zu lauschen, entscheidet er sich für eine Ausstellungseröffnung im Museum der Stadt Wien. Dort ist zumindest der Eintritt frei! Er bekommt sogar dazu gratis ein paar Glaserl Wein. Solange der Vorrat reicht.

Zwar ist der Hüseyin nicht patriotisch, aber er dachte sich: «Sich mit der Kultur des Gastlandes auseinander zu setzen, ist etwas, das die Menschen zusammen bringt, aber auch ich lerne, wie die hiesigen Menschen mit ihrer Kultur umgehen». Er möchte die Stadt Wien entdecken!

 

Die Gastarbeiter aus seinem Dorf haben ihm nur Positives über das Land berichtet. Obwohl sie nie in einem Museum, Theater, Musical, Konzertsaal oder Galerie dieser Stadt waren. Herr Hüseyin wollte es anders machen als seine Vorgänger. Er wollte sich mehr mit den kulturellen Angelegenheiten in diesem Land beschäftigen. Er wollte sich auch von seinem Steuergeld einen Teil in flüssiger Form zurückholen. Obwohl er sehr schnell betrunken war. Also, zwei Achterl ermüdeten ihn.

 

Einer musste das ja tun! Ihm war die Wichtigkeit dieser Angelegenheit bewusst. Herr Hüseyin verbrachte auch jedes Wochenende in Lokalen, in denen österreichische Tanzmusik mit Livebands gespielt wurde. Er konnte alles – vom Walzer und Vogeltanz bis zum Twist – tanzen!

 

Die Österreicher in den Lokalen hatten nichts dagegen, wenn Herr Hüseyin die Freundin oder die Frau dieser Herrn zum Tanzen aufforderte. Es gefiel den Männern, die das Tanzen hassten, für sie war der Herr Hüseyin die Rettung. Herr Hüseyin zeigte Verhaltensregeln aus der Monarchiezeit. Zwischen dem Körper der Tanzenden gab es einen bestimmten Abstand. Der Hüseyin war auch so höflich. Nach jedem Tanz spürte er, ob die Frau noch weiter tanzen wollte oder nicht.

 

Er hatte keine sexuelle Beziehung zu seinen Tanzpartnerinnen. Ihm reichte die körperliche Akzeptanz. Herr Hüseyin ist glücklich, wenn er auf der Tanzfläche ist. Er vergisst, die Schwere der Arbeit, er vergisst die Kinder, die ihm abgehen und von deren Entwicklung er keine Ahnung hat. An die eigene Frau in der Heimat denkt er auch nicht. Stattdessen tanzt er jedes Wochenende mit vielen anderen, ihm fremden, Frauen, deren Schweiß nach abgestandenem Wein oder Bier riecht. Wobei Herr Hüseyin auch mit seiner Frau nur Händchen halten konnte, als er mit ihr einen Volkstanz tanzte, bei dem viele Menschen sich an den Händen halten. Schon nach kurzer Zeit war er verheiratet worden. Es folgten Kinder. In seinem Dorf konnten sie nicht vom Ertrag dieser Erde leben. Bald musste er das Dorf verlassen.

 

Schließlich entfernte er sich von der Tanzerei immer mehr. Weil er zu Hause eine Frau und viele Kinder hatte. Das Arbeiten bei der Baufirma hatte ihm die Füße und die Knie kaputt gemacht.

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