Lokalmatador
Helmut Emersberger ist einer von jenen, die nun mehr Aufmerksamkeit verdienen.
Text: Uwe Mauch, Foto: Mario Lang
In der Brigittenau ist er zhaus. Eröffnet Helmut Emersberger, laut Eigendefinition Autor, Sänger, Entertainer und Forschender, bei einem Schuach (Spaziergang) durch den 20. Bezirk.
In seiner Bladern im Allerheiligenpark hat er sich in jungen Jahren die ihm eigene Pappn angeeignet, seinen Urwiener Spruch. Auf dem Sportplatz des WAT Brigittenau in der Hopsagasse hat er ur-schnö laufen gelernt. In einem Gymnasium nahe des gemeinhin bürgerlichen Wallensteinplatzes hat er jene, die sich abfällig über das Bezirksproletariat äußern mussten, schnö schwindlich geredet.
Stellvertretend für viele.
So beginnt auch im absoluten Ausnahmezustand ein Porträt dieser Rubrik, die seit zwanzig Jahren jenen eine Stimme verleiht, die zum Gelingen der Stadt beitragen. Heute wird darüber hinaus – stellvertretend für viele – ein Gesicht der aktuellen Krise sichtbar gemacht.
Helmut Emersberger, ein Kind des Revolutionsjahres 1968 bzw. eines Schriftsetzers und einer Sekretärin, zählt zu jenen Menschen, die unverschuldet ihren Beruf nicht oder nur mehr zum Teil ausüben können und für die kein Rettungsschirm aufgespannt werden soll.
Covid-19 hat ihn, der vom Schmäh lebt, über Nacht schmähstad gemacht. Noch vor wenigen Wochen konnte er mit seinem lustigen Taschenbuch für Aufsehen und Lacher sorgen. Darin versetzt er das weltbekannte Entenhausen in sein Grätzl, wo die Protagonist_innen so reden wie die oidn Habera vom Allerheiligenpark. Sein Donald Duck weiß daher sehr genau, wer ein Beidl ist und wer nicht. Und «Fräulein Josefine», die Ballade vom vielfach verehrten Hansi Lang, darf im Entenhausen von Helmut Emersberger ebenso nicht fehlen.
Die Zeit vor Corona.
Der Dialektsprecher und -pfleger erinnert sich gerne an die Zeit vor der Krise: «I pocks no imma ned.» Der Herr Bundespräsident hatte das Comic-Heft beim Opernball im Blitzlicht der Fotograf_innen durchgeblättert. Am nächsten Tag war es nach nur wenigen Stunden in den Wiener Trafiken ausverkauft.
Es war ihm ein weiterer Hadern in einer nicht linearen, an Abwechslungen reichen künstlerischen Karriere gelungen. Diese startet auf Schulskikursen, an der Seite seines treuen Wegbegleiters Thomas Hojsa, der damals schon virtuos die Harmonika ziehen konnte.
Tausende Male traten die beiden Wiener Buam später auf, bei Heurigen ebenso wie im Fernsehen, als Duo Hojsa-Emersberger, lange bevor das Wienerlied wieder modern wurde.
«Die Brigittenau meiner Kindheit war ländlicher», befindet der aufmerksame Beobachter hart an der Grenze zum zweiten Bezirk, wo hinter der Innstraße ein letztes Reservat einer städtischen Gstättn überlebt hat. Doch das Brummen der Bauindustrie ist selbst in Shutdown-Zeiten deutlich zu hören. Ihre Lobby ist viel mächtiger als jene der Kunst.
Er selbst ist in einer Wohnung in der Vorgartenstraße aufgewachsen, neben der Allerheiligenkirche. Sein Vater turnte in seiner Freizeit beim WAT, seine Mutter galt dort als talentierte Sprinterin, und sein um drei Jahre älterer Bruder Kurt macht seit einer gefühlten Ewigkeit den Obmann des lokalen Sportvereins.
Auch der Hömal war schnö, besonders auf Rollschuhen: «Mein persönlicher Rekord von unserer Wohnung in die Schule lag bei viereinhalb Minuten.»
Die Zeit nach Cordoba.
Als Zehnjähriger wollte er in dieser Reihenfolge «Gicka, Sportreporter, Archäologe» werden. Die ersten beiden Bubenträume waren dem kollektiven Cordoba-Erlebnis geschuldet, einem Fußballspiel fern von Entenhausen, bei dem man auch in der Brigittenau völlig unerwartet, aus heiterem Himmel wie gesagt wird, ein lange vermisstes Wir-Gefühl empfand.
«Und das mit dem Archäologen hängt damit zusammen, dass uns in der Schule das Buch Der Goldene Pharao vorgelesen wurde», erinnert sich der 52-Jährige nicht auf Anhieb, dann aber umso genauer.
Vielleicht hätte er als Fußballer oder Archäologe jetzt mehr Geld einsteckn. So wie die meisten freischaffenden Kreativen dieser Stadt kennt auch Helmut Emersberger mehr das Leben von Donald als das von Dagobert Duck.
Zwar wurde sein Ein-Personen-Stück «Vorhangverbot!» über die Geschichte und das Wesen des Wiener Burgtheaters in eben diesem Haus mehr als hundert Mal aufgeführt. Die Frage, wie der Vater von zwei erwachsenen Söhnen jetzt finanziell über die Runden kommen soll, ist damit aber nicht aus der Welt.
Bei seinen Auftritten trägt Helmut Emersberger öfters einen Hut. Mögen sich Virus und Ausnahmezustand boid schleichn, möge sich dann der Hut des Künstlers zügig füllen. Er hätte sich das ollawäu verdient.
Mehr über den Vielseitigen: helmut-emersberger.at