Die Raiffeisenzentralbank konzentriert Geld und Getreide
Die Tendenz zur Zentralisation und Konzentration der Wirtschaft ist eine der charakteristischen Eigenschaften des Kapitalismus. Davon dass sie das Genossenschaftswesen ebenfalls erfasst, kann der Milchsektor ein Lied singen. Ihn hat es am Vorabend des EU-Beitritts von Österreich erwischt. Im Geldsektor von Raiffeisen, könnte man glauben, besteht dafür aufgrund der ohnehin vorhandenen dreistufigen Struktur – Ortsbanken, Landesbanken und Zentralbank – keine Notwendigkeit. Doch weit gefehlt: Dieser Bereich verfügt über Reserven, die die Begehrlichkeit von Walter Rothensteiner als Chef der RZB (Raiffeisenzentralbank) und Nachfolger Christian Konrads als Generalanwalt geweckt haben. Im Konzentrationstrend liegt übrigens auch der Getreidehandel.Im Zuge der neuen Bankvorschriften, die unter der Flagge von Basel III segeln, sind die Geldinstitute gehalten, ihre Eigenkapitaldecke zu stärken. Angesichts der nach wie vor krisengebeutelten Finanzmärkte und der verschuldeten Staatshaushalte ist Erfindungsreichtum gefragt, um diesen Anforderungen zu genügen. Der Chef der RZB ist auf die Idee gekommen, sein Institut einfach dadurch zu stärken, dass er die Spezialunternehmen für Sonderaufgaben im Geldbereich wie Leasing oder Bausparen zur Gänze unter die Fittiche der Zentralbank nimmt, an denen sie bisher lediglich Minderheitsbeteiligungen gehalten hat.
Liste der Unternehmen
Konkret will die RZB sich folgende Gesellschaften – zwischen von 51 und 100 Prozent – einverleiben:
• Raiffeisen Bausparkasse (derzeit halten acht Landesbanken 63 Prozent und die RZB 37 Prozent),
• Raiffeisen Leasing Management (derzeit 25 Prozent indirekt über die RZB-Sektorbeteiligung, 25 Prozent Raiffeisen Bank International und 50 Prozent sieben Landesbanken)
• Raiffeisen Kapitalgesellschaft (derzeit RZB 50 Prozent)
• Valida Pensionskasse (derzeit RZB rund 25 Prozent)
• Wohnbaubank (derzeit RZB 25 Prozent)
• Factorbank (derzeit RZB 40 Prozent) und
• e-force – Internet- und Datendienstleister (derzeit RZB rund 20 Prozent).
Die Raiffeisen Versicherung ist als Tochter der Uniqa von der Umgruppierung bestenfalls am Rande betroffen.
Im Sektor soll nach einer Exklusivmeldung des «Standard» grundsätzlich beschlossen worden sein, dass die RZB in allen angeführten Unternehmen die Mehrheit übernimmt – entweder durch die Übertragung sämtlicher Anteile oder Teilen davon. Im Gegenzug könnten die Landesbanken ihre Beteiligung an der Zentralbank erhöhen, ohne dass Geld fließen müsste. Wie es heißt, steht die Bewertung der einzelnen Gesellschaften noch aus. Der Umbau soll jedenfalls bereits heuer im ersten Halbjahr über die Bühne gehen.
Der wahre Grund
Vordergründig wird die Transaktion mit zentraler Steuerung, Straffung der Tätigkeit und Kostensenkung argumentiert. Ausschlaggebend dürfte jedoch sein, dass die Übernahme der Mehrheit eine Konsolidierung der Gesellschaften möglich macht und die RZB sich das Eigenkapital der Tochtergesellschaften unter den Nagel reißen kann. Dieses Arrangement macht offenkundig, dass bei Raiffeisen konsequent und laufend die dezentralen Funktionen geschwächt werden und die Macht der Zentrale gestärkt wird. Die wichtigsten Entscheidungen werden ausgerechnet dort getroffen, wo der Einfluss der Genossenschafterinnen und Genossenschafter gegen null tendiert.
In Zusammenhang mit dieser Entwicklung wurde übrigens Licht ins Dunkel des überraschenden Wechsels im Spitzenmanagement von Raiffeisen Leasing vor rund einem Jahr gebracht. Und zwar wurde das Anziehen der Zügel in den Tochter- und Hilfsgesellschaften vor allem damit begründet, dass die RZB immer dann einspringen bzw. blechen muss, wenn in einem Unternehmen etwas schief geht. Konkret wurde in dem Zusammenhang darauf verweisen, dass die Leasing Tochter vor einem Jahr in Italien schwere Verluste gemacht hat. Damals wurde die Geschäftsführung der GmbH wie aus heiterem Himmel ausgetauscht, ohne dass in der Öffentlichkeit der Grund der Maßnahmen bekannt wurde. Erst jetzt kam Licht in die Affäre.
Konzentration auch bei Getreide
Licht in die vielseitigen Verflechtungen des Konzerns und die Konzentrationsprozesse im Getreidehandel brachte die Jahresschlussveranstaltung der RWA (Raiffeisen Ware Austria, an der die deutsche BayWa zu 50 Prozent beteiligt ist). Der BayWa-Vorstandsvorsitzende Klaus Josef Lutz erklärte bei dieser Gelegenheit als stolzer Mitbesitzer der Handelssparte von Raiffeisen: «Mit dem Kauf des niederländischen Händlers Cefetra und der Mehrheitsbeteiligung an der norddeutschen Bohnhorst verdoppelte die BayWa ihren Umsatz mit Feldfrüchten, Obst, Saatgut und Dünger auf rund 10 Milliarden Euro.»
Die steigende Konzentration des Agrarhandels weltweit habe die BayWa veranlasst, sich im Getreidegeschäft stärker zu internationalisieren. Zusammen brächten es das Unternehmen und die beiden künftigen neuen Töchter auf ein Handelsvolumen von insgesamt rund 30 Millionen Tonnen – fünfmal so viel, wie die BayWa bisher alleine umgeschlagen hatte. Dimensionen, die zwar über das heimische Vorstellungsvermögen hinausgehen, in die aber die RWA über die BayWa einbezogen ist.