Buchtipp: Wiener Szenen 1980 bis 1999
Zu zweit auf einem Moped machten sich 1987 Hans Platzgumer und ein Freund von Innsbruck aus auf nach Wien. Mit wehen Hinterteilen und großen Erwartungen kamen sie drei Tage später dort an. «Auf seine Weise hatte Wien, das damals so wenig zu bieten hatte, viel zu bieten», schreibt der Musiker und Schriftsteller Platzgumer in seinem Beitrag «1987. Die graue Zeitlupenstadt», der den Sammelband Branntweiner, Blue Box und Bermuda Dreieck. Unterwegs im Wien der 80er und 90er eröffnet. Zu bieten hatte Wien z. B. tolle Rock- und Punkkonzerte, niedrige Mieten und billige Preise in der Gastro. Die Stadt, die bis zum Ende des «realen Sozialismus» unweit des «Eisernen Vorhangs» lag, war noch nicht von Gentrifizierung und Neoliberalismus betroffen und war diesbezüglich, aber auch etwa in Sachen Partykultur, westlichen Großstädten hintennach. Ab den 90ern änderte sich das. Wien wurde bunter, was seine Fassaden, diverser, was seine Bevölkerung betraf und teurer in allen Bereichen.
16 Zeitzeug:innen aus der, sagen wir im weitesten Sinn, Kulturszene hat Vanessa Wieser (Journalistin, Verlegerin, Herausgeberin u. a. des Bandes Wien schöntrinken) gebeten, ihre Erinnerungen schriftlich niederzulegen. Wieser selbst erzählt vom Leben und Feiern in Studierendenheimen und vom Abschluss durchgemachter Nächte beim Branntweiner. Der Titel des Interviews, das Wieser mit Blue-Box-Mitgründer Herbert Molin führte, lautet «Eigentlich waren immer alle besoffen». Dass indoor allerorts dicke Zigarettenrauchschwaden Atmung und Sicht erschwerten, ist ebenfalls Fakt.
Ihre Sicht der 80er/90er teilen u. a. Christian Fuchs (FM4), Christopher Just (Ilsa Gold, Der Moddetektiv), Künstlerin und DJ Amina Handke, Augustin-Musikarbeiter Rainer Krispel oder Katja Gasser (ORF Literatur).
Vanessa Wieser (Hg.): Branntweiner, Blue Box und Bermuda Dreieck. Unterwegs im Wien der 80er und 90er
Milena 2024
174 Seiten, 24 Euro