Freie Verabschiedungszeremonien gibt es immer häufiger. Genauso wie traditionelle helfen sie mit, Verlust und Trauer zu verarbeiten.
Rechts oben werden Augen nass. In der Mitte ein Lächeln. Der Screen meines Handys zeigt Gesichter, wenn ich runterscrolle mehr und mehr. Menschen, die an einer Trauerfeier via Zoom – einem Programm für Online-Meetings – teilnehmen. Wir sehen A., der kürzlich in den USA verstorben ist, als jungen Mann, später bei Festen mit seinen Kindern, schließlich mit Enkelkindern. Eine berührende Fotoschau, unterlegt mit seinen Lieblingssongs, die seine Tochter zusammengestellt hat. Danach gibt es Reden von Zugehörigen, später tauschen auch Freund:innen und Arbeitskolleg:innen Erinnerungen aus. Obwohl wir körperlich nicht zusammen sind, ist das Gemeinschaftsgefühl spürbar. Wir sehen jede emotionale Regung und stehen quasi sowohl nebeneinander als auch gegenüber. Die Bestattung der Urne wird zu einem anderen Zeitpunkt in kleinem Kreis stattfinden – ohne religiöse Begleitung.
Persönlich
Angeleitet und organisiert haben diese Verabschiedung besagte Freundin und ihr Bruder. Sie wurde zwar aus der Notwendigkeit geboren, dass die Trauernden auf verschiedenen Kontinenten leben. Aber immer mehr Menschen entschließen sich dazu, ihre Verstorbenen mit als «alternativ» oder «frei» bezeichneten Ritualen – also solche, die nicht an eine religiöse Tradition gebunden sind – zu verabschieden. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Säkularisierung in der Gesellschaft zunimmt. In Österreich fühlen sich laut Statistik Austria rund zwei Millionen Menschen keiner Glaubensgemeinschaft zugehörig, außerdem läuft der Trend in Richtung mehr religiöse und spirituelle Diversität. Und auch innerhalb von Religionsgemeinschaften sind nicht mehr alle mit den traditionellen Praktiken vertraut, weil immer weniger Menschen etwa in die Kirche gehen.
«Da hat sich sehr viel verändert in den letzten Jahren», stellt die Soziologin und Religionswissenschaftlerin Lilo Ruther fest, die zu freien Trauerritualen in der echts oben werden Augen nass. In der Mitte ein Lächeln. Der Screen meines Handys zeigt Gesichter, wenn ich runterscrolle mehr und mehr. Menschen, die an einer Trauerfeier via Zoom – einem Programm für Online-Meetings – teilnehmen. Wir sehen A., der kürzlich in den USA verstorben ist, als jungen Mann, später bei Festen mit seinen Kindern, schließlich mit Enkelkindern. Eine berührende Fotoschau, unterlegt mit seinen Lieblingssongs, die seine Tochter zusammengestellt hat. Danach gibt es Reden von Zugehörigen, später tauschen auch Freund:innen und Arbeitskolleg:innen Erinnerungen aus. Obwohl wir körperlich nicht zusammen sind, ist das Gemeinschaftsgefühl spürbar. Wir sehen jede emotionale Regung und stehen quasi sowohl nebeneinander als auch gegenüber. Die Bestattung der Urne wird zu einem anderen Zeitpunkt in kleinem Kreis stattfinden – ohne religiöse Begleitung.
Persönlich
Angeleitet und organisiert haben diese Verabschiedung besagte Freundin und ihr Bruder. Sie wurde zwar aus der Notwendigkeit geboren, dass die Trauernden auf verschiedenen Kontinenten leben. Aber immer mehr Menschen entschließen sich dazu, ihre Verstorbenen mit als «alternativ» oder «frei» bezeichneten Ritualen – also solche, die nicht an eine religiöse Tradition gebunden sind – zu verabschieden. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Säkularisierung in der Gesellschaft zunimmt. In Österreich fühlen sich laut Statistik Austria rund zwei Millionen Menschen keiner Glaubensgemeinschaft zugehörig, außerdem läuft der Trend in Richtung mehr religiöse und spirituelle Diversität. Und auch innerhalb von Religionsgemeinschaften sind nicht mehr alle mit den traditionellen Praktiken vertraut, weil immer weniger Menschen etwa in die Kirche gehen.
«Da hat sich sehr viel verändert in den letzten Jahren», stellt die Soziologin und Religionswissenschaftlerin Lilo Ruther fest, die zu freien Trauerritualen in der Deutschschweiz forscht. Den Unterschied zu traditionellen Bestattungen sieht Ruther darin, dass in freien Ritualen Gemeinschaft über den kurzen Zeitraum der Verabschiedung stattfindet, im Gegensatz zur Religionsgemeinschaft, die auch Menschen, die sich nicht kennen, lange verbindet. Und: Für die Trauernden seien sie vor allem eine Möglichkeit, mit dem Verlust des geliebten Menschen umzugehen. «Es geht dann weniger um die Seele des Verstorbenen, sondern um den Coping-Mechanismus der Hinterbliebenen», so Ruther.
In gewisser Weise helfen natürlich alle Trauerrituale, mit Verlust zurechtzukommen, genauso wie spirituelle Elemente auch in nicht religiösen Ritualen zu finden sind. Bei freien Ritualen gehe es darum, etwas Neues zu schaffen, aber gleichzeitig oft auch darum, Traditionen zu integrieren, erklärt Ruther. Nicht zuletzt, um die unterschiedlichen Trauernden alle einbinden zu können. «Es gibt auch öfters die Möglichkeit, dass man innerhalb der Kirche ein freies Ritual verlangt, eine offenere Form wünscht. Gerade im evangelischen Kontext», so Ruther.
Alternative Rituale sind also individuell, aber oft wird auf bestehende Formen zurückgegriffen. Etwas an einer bestimmten Stelle niederzulegen oder zu verbrennen werde gerne vollzogen, so Ruther. «Es sind oft symbolische Handlungen, die Idee von Weite, von einer Seele, die man freilässt und es werden Natursymbole wie Bäume und Gedichte, z.B. von Rilke oder Hesse verwendet.» Häufig wird ein:e Ritualleiter:in, die sich auf die Begleitung nichtreligiöser Rituale spezialisiert hat, hinzugezogen. In Österreich gibt es seit 2013 die Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung, die Qualitätskriterien entwickelt. In der Ausbildung stehen auch Ritual- und Symbolarbeit am Programm.
Picknick im Park
«Einen rituellen Raum muss man öffnen, halten und wieder schließen und es gibt bestimme Elemente darin», erklärt Ulrike Friedl. Gemeinsam mit Yvonno Leeb hat Friedl heuer das Unternehmen Tamo Bestattungen in Wien gegründet. Trauerbegleitendes Bestatten nennen die beiden den Ansatz, bei dem es darum geht, von der Abholung bis zum Ende der Beisetzung alles individuell zu organisieren und auf die Trauernden sowie die verstorbene Person achtsam einzugehen. «Der Blick auf den Prozess des Bestattens ist ein wertvoller Teil des Trauerwegs. Für die Zugehörigen kann im Abschiednehmen total viel passieren. Wenn sie da gut begleitet werden, dann haben sie die Möglichkeit, ihren eigenen Weg zu finden», sagt Friedl.
Vom klassischen Begräbnis mit dem Pfarrer, über das nichtreligiöse Picknick im Park mit Urne bis hin zum Besuch der Lieblingsbar ist alles möglich. Tamo hat keine vorgefertigten «Pakete» im Angebot. Friedl und Leeb schauen zuerst einmal genau hin. «Wenn du uns anrufst, dann kommen wir zur Abholung. Aber wir schauen nicht, wie es am effizientesten geht, sondern wie die Situation ist: Wer ist gestorben? Möchte sich noch jemand verabschieden? Kommt noch wer?», erzählt Leeb aus der Praxis. «Bei uns dauert eine Abholung so lange, wie sie eben braucht.» Dann wird gemeinsam überlegt, was als Verabschiedung für die Betroffenen Sinn macht. «Viele Normen, Traditionen und Rituale sind total hilfreich für viele Menschen, es ist nicht so, dass wir nur Neues machen», erklärt Yvonno Leeb. «Das Einzige, was wir machen, ist, nachzufragen: Was passt zu euch, was passt zu der Beziehung, die ihr mit der Person hattet?» Dann wird geschaut, was möglich ist.
Ganzheitlich
Was möglich ist, gibt auch der rechtliche Rahmen vor. Etwa darf die Asche einer verstorbenen Person in Österreich nicht verstreut werden und es gibt eine Bestattungspflicht. Als Abschiedsritual mit der Urne spazieren zu gehen ist jedoch erlaubt. Eine neue Methode, die gänzlich ökologisch sein will, ist die «Reerdigung», die den Körper in 40 Tagen in fruchtbare Erde transformieren soll. Auch das ist (noch) nicht erlaubt, so wie die Angebote, die Künstler:in Xenia Lesniewski mit ihrem Projekt Instant Solutions (siehe Augustin Nr. 561) entworfen hat. Darunter etwa ein Gemälde, das sie mit der Asche der:des Verstorbenen malen würde, gerne mit Inputs der Trauernden. Sie müsste den Umweg über Länder gehen, in denen das möglich sei, so Lesniewski, die sich viel mit Bestattungsritualen auseinandergesetzt hat. Auch sie sieht großes Interesse an Individualität, sowie an Nachhaltigkeit.
Auch Tamo Bestattungen denken nachhaltig. Gemeinsam mit Tischlerin Sonja Petrovics haben Friedl und Leeb ein abbaubares Sargmodell entwickelt – unlackiert und mit einer Innenausstattung, die ohne dem vielfach üblichen Polyester auskommt.
Was rechtlich geht und was nicht, sei, so Leeb, oft vor allem für queere Menschen relevant. Tamo berate, etwa wenn sich Dokumente widersprechen, oder wenn es um Grabnutzungsrechte geht. Diese sind immer noch heteronormativ organisiert, nämlich nach «Verwandtschaft». Für viele queere Personen sei aber auch die Wahlfamilie sehr wichtig. «Man könnte als Freundeskreis ein Gemeinschaftsgrab haben.» Rechtlich ist das möglich. Man müsse sich aber aktiv darum kümmern, so Friedl. Es brauche einfach Feingefühl für die Trauernden.
Tabu?
Bedeutet das Interesse an freien Ritualen auch eine generell größere Beschäftigung mit dem Tod? «Man findet Belege für eine neue Sichtbarkeit des Todes, auch in der Kunst und im Design», meint Lilo Ruther. Es gebe aber auch den entgegengesetzten Trend, möglichst anonym und reduziert bestattet zu werden, und kein Aufhebens um den eigenen Tod machen zu wollen. Vielleicht könnte eine neue Sichtbarkeit mithelfen, mit Trauer umzugehen – zusammen mit schönen Ritualen.