Immo Aktuell
Die Radetzkystraße 24–26 ist seit Jahren ein Streitfall. Altmieter_innen stehen «Entwicklung», «Aufwertung» und Abriss im Weg. Gekämpft wird mit harten Bandagen.
Text: Christof Mackinger
Illustration: Much
Der goldene Schwan. Zwei goldene Adler. So heißen die «exklusiven Wohnprojekte» der Steiner Immobilien Gruppe in Wien. Versprochen wird eine «idyllische Lage», «nur wenige Fahrminuten von der Innenstadt entfernt». Fotos zeigen weiße Fassaden mit lichtdurchfluteten Räumen hinter frisch geputzten, großen Fenstern. Wer träumt nicht davon, so zu wohnen?
Störende Mieter_innen.
Was bei dieser Lifestyle-Idylle unter den Tisch fällt, sind nicht nur die schwindelerregend hohen Preise, sondern ehemalige Mieter_innen, die solche Häuser vor ihrer Generalsanierung bewohnt haben. Steiner Immobilien ist nicht nur einer der bekanntesten Immobilienbesitzer Wiens, sondern in erster Linie ein Unternehmen zur Immobilienentwicklung. Und Immobilienentwicklung bedeutet Aufwertung. Die aber geschieht durch Generalsanierung oder, noch einfacher, durch Abriss und Neubau. Neubauten haben niedrigere Geschosse, damit entstehen auf derselben Grundfläche mehr Stockwerke, die wiederum mehr verkaufbare Nutzfläche ergeben. Doch all dies ist nur möglich, wo niemand mehr wohnt.
Das Gründerzeithaus an der Ecke Radetzkystrasse/Dampfschiffstraße in Wien Landstraße gehört der GT14 GmbH, Teil des Steiner’schen Immobilienfirmen-Geflechts, und wurde im Jahr 2018 noch von 25 Altmieter_innen bewohnt. Es scheint, als wolle Steiner Immo auch diesen imposante Wohnblock «entwickeln». Das heißt: Die Leute müssen raus. Was aber, wenn sie nicht mitspielen?
Am 19. Juni 2018 rückten Bautrupps in der Radetzkystrasse 24–26 an und errichteten ein Baugerüst um das dreistöckige Haus. In den folgenden zwei Wochen wurden die Fenster der leerstehenden Wohnungen ausgebaut und das Dach ebenso wie der neogotisch anmutende Eckturm und das oberste Stockwerk abgerissen. All das geschah, während das Haus noch bewohnt war. Dass wenige Tage danach die neue Bauordnung in Kraft trat, war natürlich nur Zufall. Sie verbietet Eigentümer_innen seit Juli 2018, schützenswerte Gründerzeithäuser grundlos abzureißen.
Die folgenden Monate waren für die Mieter_innen der Radetzkystraße geprägt von Wasserschäden, Lärm und Unsicherheit. Ohne ordentliches Dach, mit einem Baugerüst vor der Nase und zwischen immer mehr leerstehenden Wohnungen ohne Fenster. Unterstützung erhielten die Mieter_innen von Ronald Schlesinger von der MieterHilfe der Stadt Wien. Er organisierte die Betroffenen und kämpft bis heute für sie vor Gericht. Das mutmaßliche Ziel der Abrissaktion realisierte sich aber dennoch: Immer mehr Menschen zogen aus, auch wenn ein Urteil des Höchstgerichts die Wiederherstellung eines Daches und den Einbau der Fenster ungenutzter Wohnungen verordnete. Schließlich wurde das Haus sogar noch unter Schutz gestellt.
Professionelle Ausmietung.
Heute sind nur noch drei Parteien im Haus verblieben, Bewohner_innen, die «seit drei Jahrzehnten oder länger» in dem Haus wohnen, weiß eine Beobachterin aus der Immobilienszene. Der Fall sei einzigartig in Wien und «von der Spekulantenszene genau beobachtet worden». Die Steiner Immobilien Gruppe sei kein unbeschriebenes Blatt. In ihrem Besitz sind zahlreiche sanierungsbedürftige Häuser. Sobald sich die Mieter_innen verzogen haben, kommt die Zeit der «Entwickler».
Bei Steiner Immo aber hat man ein weiteres Ass im Ärmel gegen auszugsresistente Mieter_innen mit unbefristeten Verträgen: Bei den meisten Projekten arbeitet man mit einer Firma namens EVL-Invest GmbH zusammen. EVL wirbt auf ihrer Website: «Wir schaffen Freiraum für Ihre Projekte. Überlassen Sie die Ausmietung uns Profis!» Die professionellen Ausmieter_innen versprechen, mit den Mieter_innen «eine durch Respekt und Höflichkeit gekennzeichnete Beziehung» aufzubauen, um «primär einvernehmliche Lösungen umzusetzen». An erster Stelle gehe es also einvernehmlich zu. Aber was, wenn die Mieter_innen nicht einvernehmlich ausziehen wollen oder können? Und warum betont EVL auf seiner Website gleich mehrmals, «rechtlich und sachlich korrekt» oder «seriös» und «professionell» zu arbeiten? Sind EVL-Invest etwa die Bad Boys der Immobilienentwickler, die Leute für das schmutzige Geschäft?
Dass gegen geltendes Recht verstoßen würde, will niemand behaupten. «Eine hühnenhafte Statur zu haben ist nicht illegal, ebenso wenig, regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen», beschreibt die Immobilienmarktexpertin manch Bediensteten in der Branche. «So ein Auftreten kann für Mieter_innen aber trotzdem einschüchternd sein.» Unternehmen wie EVL-Invest kassieren Prämien für Altmieter_innen, die zeitgerecht ausziehen. Je billiger Mieter_innen ihre Wohnung verlassen, desto höher die Prämie für die Ausmiet-Profis. Lädt das nicht gerade zu ein, unlautere Methoden anzuwenden?
Man kann nur mutmaßen, wie Steiner Immo und andere Entwickler_innen ihre Häuser von Menschen mit unbefristeten Mietverträgen leeren, um «Platz zu schaffen» für ihre Projekte, ebenso wo und wie EVL konkret involviert ist. Projekte wie Der goldenen Schwan oder Zwei goldene Adler tragen schon im Namen, dass sie für Investor_innen Goldgruben sind. Zumeist auf Kosten derer, die für die Immobilien-Entwicklung das Feld räumen mussten.