Betteln – die Stadt als Konsumkulissetun & lassen

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Angelica war schon einige Male in Salzburg. Ihre Unterkunft aber steht im Dorf Pauleasca, Rumänien. Ein kleiner aufgeräumter Raum mit Bett und Ofen und ein winziger Nebenraum mit einer weiteren Schlafgelegenheit, wobei es kaum etwas zum Aufräumen gibt, da sie – so wie alle anderen Menschen rundum – so gut wie kein Hab und Gut besitzt. Kein Fließwasser, kein Tisch, keine Schränke, keine Toilettenanlagen, keine Lebensmittel.Angelica erzählt, dass sie eine Operation an der Leber bräuchte. Die könne sie sich jedoch nicht leisten. Sie möchte hier im Dorf sterben. Sie sprach damit an, was ein großes und zunehmend größeres Problem speziell der verarmten Rumän_innen ist: Ohne private Zusatzzahlung an den Arzt gibt es de facto keine Behandlung im Krankenhaus. Damit bleiben sie oftmals unbehandelt. Angelica bettelt um Geld für ihr Überleben.

Die Bewohner_innen von Pauleascu gehören der Gruppe der «Pendler_innen» unter den «Notreisenden» an, zitiert Sozialwissenschafter Heinz Schoibl aus seiner Studie; eine Gruppe, die zwischen Herkunftsregion und einer Zieldestination in Mittel- bis Nordeuropa pendelt. Es gibt keine ordentlichen empirischen Untersuchungen zu Bettler_innen, Schoibls Studie ist eine der wenigen, die uns soziologisch etwa tiefer über Bettelnde, die nach Österreich kommen, Auskunft geben kann. In der Gruppe der «Pendler_innen» finden sich ausgeprägte (groß-)familiale Bindungen, die auch darin zum Ausdruck kommen, dass viele Frauen an den Notreisen teilnehmen und minderjährige Kinder sowie ältere Familienangehörige, z. T. mit körperlichen Beeinträchtigungen, mitziehen. Der überwiegende Teil ihrer Familien aber verbleibt in der Herkunftsregion und wartet auf finanzielle Unterstützung. Das zentrale Motiv für die Notreise ist der Erwerb eines finanziellen Beitrags zur Deckung der (Über-)Lebenskosten für die Familie zuhause. Der Aufenthalt am Zielort ist eher kurz, eine Rückkehr in die Heimat steht in Aussicht und ist abhängig davon, dass «genug» Geld zusammengespart werden konnte. Während die Männer durch Gelegenheitsarbeit, Verkauf von Straßenzeitungen oder Straßenmusik Einkommen sammeln, dominiert bei den Frauen das Betteln den Tagesablauf. Im Verhältnis zu einer Millionenstadt wie Wien sind es sehr wenige – aber diese wenigen sind zentral sichtbar.

Aus einem Lebensraum sind die historischen Zentren der Städte zu einer Konsumzone geworden. War Handel früher eine Stadtfunktion unter anderen, so ist sie heute zur wichtigsten aufgestiegen. «Denn die historischen Zentren dienen als Objekt und zugleich als Kulisse für den Konsum», sagt die Philosophin Isolde Charim. Konsumiert werden «Geschichte, Hedonismus ebenso wie materielle Dinge». Die Stadt ist also zu einem Einkaufszentrum geworden: Hier werden Erlebnisse, Vergnügen und Waren verkauft. «Es sind die Bilder der Armut, die stören. Sie stören die schöne Masse der Konsumenten. Denn die Bettler sind die, die nicht kaufen. Sie sind die, die nicht konsumieren. Sie sind der Unterschied, der nicht integriert werden kann.» Das Bettelverbot soll nun die Bedrohung der Konsumkulisse abwehren und uns vor Belästigung schützen. Es wird aber die Probleme nicht lösen, sagt Isolde Charim: «Mit den Bettler_innen sollen die Bilder der Armut – sektoral – verdrängt werden. Aber wie wir aus der Psychoanalyse wissen, folgt auf die Verdrängung immer die Wiederkehr des Verdrängten». Anderswo. Aber immer bei uns.

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