> Beispiel Bettelverbots-Debatte: ORF drückt das Club 2-Format unter Stammtischniveau
> Moral und Emotion dominieren Diskussion im ORF
> Wo sind die ExpertInnen geblieben
Beispiel Bettelverbots-Debatte: ORF drückt das Club 2-Format unter Stammtischniveau
«Die Anwesenheit auf dem Bürgersteig sitzender Menschen, die in Not geraten sind und an das Mitleid und an die Hilfsbereitschaft von Passanten appellieren, müsse von der Gemeinschaft jedenfalls in Zonen des öffentlichen Straßenverkehrs als eine Erscheinungsform des Zusammenlebens hingenommen werden und könne folglich nicht generell als ein sozial abträglicher und damit polizeiwidriger Zustand gewertet werden.»
Legte man Ursula Stenzel, der konservativen Bezirksvorsteherin des 1. Wiener Gemeindebezirks, diese Zeilen ohne Hinweis auf den Verfasser vor, würde sie auf «linksgrüne Gutmenschenpropaganda» tippen. Es handelt sich jedoch um ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofs Baden-Württemberg, bekanntlich weder eine Einrichtung der BettelLobbyWien noch eine Tarnorganisation der Roten Armee Fraktion.
Moral und Emotion dominieren Diskussion im ORF
Die Dominanz der ÖVP-Politikerin in der «Club 2»-Diskussion vom 24. März, in der es um die Verschärfung des Wiener Bettelverbots ging, ist Ausdruck der Austreibung von Diskussionskultur aus dem ORF. Stenzels Sammlung von xenophoben Stereotypen, die zu keinem Zeitpunkt das Niveau eines LeserInnenbriefes in der Kronenzeitung zu überschreiten vermochte, hätte Punkt für Punkt entzaubert werden können.
Wie zur Schonung von SPÖ und ÖVP, die am 26. März in Wiener Rathaus eine Landessicherheitsgesetznovelle durchbringen wollen, die de facto die Exekutierung des generellen Bettelverbots erlaubt, orientierten die Sendungsverantwortlichen auf eine bloß moralisierende Debatte. Weder eine Vertreterin oder ein Vertreter der BettelLobbyWien noch eine andere sachkompetente Person, die mittels Fakten und Analysen zu einer Rationalisierung der Debatte beitragen hätte können, wurde eingeladen.
Wo sind die ExpertInnen geblieben?
In der Diskussionsrunde gab es niemanden der/die nachfragte, woher Stenzel ihre kruden Theorien über «ganze Dörfer, die von ihren Bossen zum Betteln, Stehlen etc. geschickt werden» beziehe. Niemand, der die einfache Wahrheit aussprach, nämlich dass das vorgeschlagene Verbot des «gewerbsmäßigen Bettelns» (gesetzt den Fall, dass tatsächlich so ein «Boss» in Erscheinung tritt) nur die Opfer bestrafen würde, nicht die TäterInnen. Denn die strafwürdige Handlung läge ja dann nicht in der Tätigkeit des Bettelns, sondern im dahinter liegenden Zwang, in der Erpressung, im Menschenhandel etc. und diese Vergehen sind ohnehin im Strafgesetzbuch geregelt.
Und es gab niemanden, der über die Unumgänglichkeit von «Armutstourismus» in Richtung Österreich sprach, solange die soziale und ökonomischen Spaltung zwischen westlichen und den postkommunistischen Staaten sich verschärft; und niemanden, der darauf hinweisen konnte, dass tausende österreichische UnternehmerInnen jeder Größenordnung vom alarmierend niedrigen Lohnniveau in diesen Staaten profitieren und damit einer Änderung der Situation, die vor allem Roma nach Wien treibt, entgegenstehen. Schließlich gab es niemanden, der die Verschärfung des Bettelverbots in den Zusammenhang eines wachsenden Antiziganismus in vielen europäischen Ländern stellte oder auf die Sündenbock-Rolle der osteuropäischen Armuts-«PendlerInnen» aufmerksam machte.