Bettler_innen nach der Oper nicht vergessen!Artistin

Warum über die Oper «Kátja Kabanová» nachdenken?

Oper ist eine Maschine, die Probleme kulinarisch aufbereitet. Die Armut der Mimi in «Bohème», der Kerker im «Fidelio», die Fahrt zum Schafott in «Andrea Chénier». Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden. Für manche ist Oper wichtig, weil sie dort Gefühle erleben können, die sie im Leben nicht mehr spüren.

Selten ist die Unmenschlichkeit mit einer Schärfe auf der Bühne präsent, dass es fast nicht zu ertragen ist wie bei der Premiere von Leos Janáceks «Kátja Kabanová» (im Juni 2011, Anm.) in der Wiener Staatsoper. Wie da die Jungen unterdrückt werden, man wollte meinen: «Dieser Terror schreit nach Rache.» Doch die gibt es nicht. Flucht und Freitod sind die letzte Rettung. Warum über «Kátja Kabanová» nachdenken? Das Leben ist trist genug. Fukushima raucht, die Integration wird als Einbahnstraße ausgeschildert, die Mehrheitsgesellschaft kann so bleiben wie sie ist.

Für bettelnde Menschen wird es immer schwieriger. Da Flashmobs für Bettelnde noch nicht Praxis ist, gilt es den richtigen Platz für das Betteln zu finden. Kirchenportale bieten sich an, Luxusgeschäfte. Vor der Oper gibt es nur wenige Bettelnde. Wenn «Kátja Kabanová» auf dem Spielplan steht, sollten sich viele dort versammeln. Wird doch die gute Gabe als Erinnerung an die große Liebe gepriesen. «Numm und gib in Zukunft jedem Bettle, den Du triffst», sagt die verheiratete Kátja vor ihrem Selbstmord zu Boris, den sie liebt. Das ist doch ein Plädoyer, ein ganz seltenes. Sonst gibt es in dem Stück keine Menschlichkeit. Die tyrannische Schwiegermutter hat, als die tote Katja auf die Bühne gelegt wird, nichts Besseres zu tun, als sie mit einer abschätzigen Fußbewegung umzudrehen.

Nach der Premiere saß ein Bettler vor der Oper, ob er den Spielplan gekannt hat, wage ich zu bezweifeln. Der Satz der Oper ist mir im achtlosen Vorbeigehen eingefallen. Ich habe umgedreht und dem Plädoyer der Oper entsprochen. Da sage jemand, dass Kunst ohne Wirkung ist.

Bettler_innen vorgemerkt: Die nächsten Aufführungen finden am 10., 14., 17. und 21. 11. statt.