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Mobilitätsarmut sperrt aus. Wenn die verkehrsbedingte Anbindung von Arbeitsmärkten nicht erfolgt, stehen Bevölkerungsgruppen im Abseits. Mobilität ist eine Möglichkeit, den Anschluss zu wahren. Mangelnde Möglichkeiten an unterstützender Verkehrsinfrastruktur zementieren Benachteiligungen, engen die Bewegungsfreiheit weiter ein. Menschen in Armutslagen leben wesentlich öfter allein und können seltener auf ein tragfähiges Unterstützungsnetzwerk zurückgreifen als andere Personen.Weiters ist die Erreichbarkeit von Bildungseinrichtungen für Kinder ein zentraler Faktor für die Schulwahl. In Österreichs stark sozial ausschließendem Schulsystem mit seiner frühen Bildungsentscheidung mit zehn Jahren kommt der Schulwahl eine besondere Bedeutung zu. Wenn es keine gute öffentliche Verkehrsinfrastruktur gibt, sind Kinder in ihrer Schulwahl massiv eingeschränkt.
Armutsbetroffene sind dreimal so oft krank wie die Restbevölkerung, nehmen aber in wesentlich geringerem Ausmaß Gesundheitsdienste in Anspruch. Eingeschränkte Mobilität verschärft diese Tendenz noch weiter. Besonders in ländlichen Regionen, in denen die Versorgung mit FachärztInnen schlecht ist und größere Strecken zum nächsten Arzt, Krankenhaus oder nächsten Ambulanz zurückgelegt werden müssen. Oder für traumatisierte Flüchtlinge, die Folter überlebt haben, ist es mangels Fahrkarten fast unmöglich, zu Behandlungen zu kommen.
Mobilität ist das Potenzial der Beweglichkeit. Mobilität ist ein Grundbedürfnis, das bis zu einem gewissen Maß gesichert sein muss, damit wir uns wiederum andere Bedürfnisse erfüllen können: arbeiten, Freunde treffen, lernen, am kulturellen Leben teilnehmen.
Da der öffentliche Verkehr den größten Anteil (44 %) der zurückgelegten Kilometer im untersten Einkommensviertel ausmacht, kommt einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz die Rolle eines sozialen Netzes zu. Der öffentliche Verkehr hat eine große Bedeutung als Mittel gegen Mobilitätsarmut. Je geringer das Einkommen, desto mehr sind die Menschen auf den öffentlichen Verkehr angewiesen. Im untersten Einkommensviertel besitzen 60 % der Haushalte kein Auto, bei Armutsbetroffenen geht der Autobesitz gegen null.
Weiters reduzieren Öffis die Umweltbelastung Armutsbetroffener, die überproportional an den Routen des Großverkehrs leben müssen. Untere Einkommen leben an den Hauptstraßen des motorisierten Verkehrs mit mehr Lärm und mehr Schadstoffbelastung. Wer Geld hat, zieht weg. Da stellen sich Fragen der Umweltgerechtigkeit. Wie sind Umweltbelastungen in der Bevölkerung verteilt? Fliegen Flugzeuge bei Start/Landung über alle Köpfe oder überproportional über solche von statusniedrigeren Gegenden? Werden breite Straßen durch Viertel der Oberschichten gelegt?
Mobilitätsarmut bekämpfen und Klima schützen geht in einem. Hier entstehen Win-Win-Situationen. Ein weiterer Effekt: Arbeitsplätze werden bei entsprechenden Investitionen geschaffen. Mobilitätsgrundsicherung bedeutet Infrastruktur und Zugang für alle. Um Mobilität für Leute mit wenig Geld zu ermöglichen, sind der Linzer Aktivpass oder der Wiener Mobilitätspass erste wichtige Schritte. Es geht darum, Mobilitätsarmut und Umweltbelastung zu bekämpfen. Dann kann es für alle mehr Bewegungsfreiheit und eine lebenswerte Umwelt geben.