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Herr I. ist 55 Jahre alt. Er hat im Gastgewerbe gearbeitet und Sozialversicherungsbeiträge bezahlt. Als er psychisch krank wird und nicht mehr arbeitsfähig ist, reichen die Versicherungszeiten für die Invaliditätspension trotzdem nicht. Zum Überleben muss Herr I. Sozialhilfe beantragen. Er lebt in einer teilbetreuten Wohneinrichtung und arbeitet für einige Stunden in der Woche im Wasch- und Bügelservice. Dafür erhält er monatlich einen kleinen Zuverdienst. Der mit viel Trara angekündigte «Behindertenbonus» wird aber nun mit den Betreuungsleistungen gegenverrechnet, das heißt, er wird einkassiert. Selbst der kleine Zuverdienst, den Herr I. für seine Tätigkeit im Wasch- und Bügelservice erhält, muss fürs Sozialamt nachgewiesen werden und wird zur Gänze von der Sozialhilfe abgezogen. Übrig bleibt da nicht mehr viel. Rechnet man noch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung ab, muss Herr I. mit 90 Euro auskommen. Damit soll er Bekleidung, Hygieneartikel, unerwartete Ausgaben und persönliche Bedürfnisse bestreiten. Herr I. hat eine minderjährige Tochter, die er gern monatlich besucht. Die Fahrtkosten gehen sich jetzt nicht mehr aus. Jetzt, seit die Mindestsicherung abgeschafft wurde und die neue schlechte Sozialhilfe in Kraft ist: in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg, bald auch in der Steiermark, Kärnten und im ganzen Land. Es wird zu massiven Verschlechterungen in der Armutsbekämpfung kommen. Und: Es wird eine so uneinheitliche und zerstückelte Sozialhilfe geben wie noch nie, also das genaue Gegenteil von «bundeseinheitlich».
Dazu werden notwendige Verfahrensbestimmungen nicht verpflichtend in alle Sozialhilfe-Ausführungsgesetze übernommen, z. B. ein schriftlicher Bescheid oder Drei-Monate-Entscheidungsfristen. Die Bestimmung fällt weg, dass Entscheidungen am Amt maximal drei Monate dauern dürfen. Wer früh hilft, hilft doppelt. Das wäre der vernünftige Zugang. Ohne Regel aber wird Soforthilfe unmöglich und Ämterwillkür Tür und Tor geöffnet. Auch die Verpflichtung, schriftliche Bescheide auszustellen, ist gestrichen. Ein schriftlicher Bescheid sollte eigentlich selbstverständlich sein, besonders wenn es um so eine sensible Grundrechtsmaterie geht.
Die Sozialhilfe ist umständlich und kompliziert. Die Folge: Der Verwaltungsaufwand steigt, dafür werden Leistungen gekürzt. Nach Schätzung der zuständigen Fachabteilung des Landes Kärnten werden die Leistungen für Sozialhilfeempfänger_innen um rund 360.000 Euro sinken. Im Gegenzug wird es in den Sozialämtern durch den erhöhten Verwaltungsaufwand zu Personalmehrkosten in Höhe von rund 1,06 Millionen Euro kommen. Wir zahlen demnach für den Untergang anderer. Die Allgemeinheit soll mehr bezahlen müssen, damit Hilfe suchende Personen weniger erhalten.
In Niederösterreich bietet die Frauenberatung Notwohnungen an, in denen jeweils drei Frauen wohnen. In der jetzt eingeführten Sozialhilfe werden diese unsachgemäß als WG bzw. Haushaltsgemeinschaft bewertet. Das bedeutet, dass die ersten zwei Personen 70 % des Richtsatzes bekommen, die dritte Person nur mehr 45 %. Die dritte Frau bekommt also nur die Hälfte der Existenzsicherung, eine massive Kürzung, die – wie mir eine Betroffene verzweifelt erzählte – «zum Sterben zu viel ist, zum Leben zu wenig».