Albert Camus als Journalist
Weil die Zeitung, die Sie in den Händen halten, eine Doppelausgabe ist (für den gesamten August) und weil Sie eventuell den Urlaub noch vor sich haben und unseren Urlaubslektüretipps vertrauen, finden sie hier einen Hinweis auf ein Buch. Albert Camus (1913–1960) ist der Autor.Weltweite Anerkennung erlangte er durch sein literarisches Werk (Der Fall, Die Pest, Der Fremde) oder durch seine Theaterstücke. Weniger bekannt, obwohl in der Menge beachtlich, ist sein journalistisches Werk. Weit verstreut findet man seine Texte in libertären, anarchistischen und sozialistischen Zeitungen. Sie inspirierten die anarchistischen Bewegungen weltweit. Der Laika-Verlag versammelte in seinem 2013 erschienen Band «Albert Camus – Libertäre Schriften (1948 – 1960)» nicht nur diverse Artikel des französischen Intellektuellen und Sartre-Gegenspielers, sondern auch Texte anarchistischer Autor_innen, die sich mit Camus in einem Diskussionsprozess befanden.
Der Band erhält Aufschlüsse über eine Verleumdungskampagne linker französischer Medien gegen Camus drei Jahre vor dessen Tod. Die Nation wurde «informiert«, Camus habe öffentlich kundgetan, dass ihm die Sicherheit seiner Mutter wichtiger sei als die Gerechtigkeit für das algerische Volk (das sich in einem antikolonialistischen Widerstandskrieg gegen Frankreich befand).
«Die Rücksichten von Herrn Camus auf seine Mutter sind bewegend, aber unglücklicherweise vergisst er die Tausenden von Opfern der Folter in Algerien (…) Die Ehrlosigkeit des zwanzigsten Jahrhunderts heißt Ausbeutung des Menschen und Kolonialismus.» Das wurde Camus vorgehalten – jenem Camus, der in Wirklichkeit unermüdlich unterwegs war, um algerische Gefangene in die Freiheit zu holen oder Proteste gegen die Folter zu organisieren.
Camus’ Aussage über seine Mutter wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Bei einer Diskussionsveranstaltung hatte er gesagt: «In diesem Moment wirft man Bomben auf die Straßenbahnen von Algier. Meine Mutter könnte sich in einer dieser Straßenbahnen befinden. Wenn d a s Gerechtigkeit ist, ziehe ich meine Mutter vor.» Es ist ein Statement gegen terroristische und bewaffnete Methoden des Widerstands; sicher kein Statement gegen den algerischen Widerstand.
Albert Camus – Libertäre Schriften (1948–1960), Verlag LAIKAtheorie, Hamburg 2013, 384 Seiten.