Bibliotick: Eine Zeitung aus 13 PlakatenArtistin

Das Internet triumphiert, manchmal schlägt Print aber gewaltig zurück. Dann schauen die Blogs und der Facebook-Dschungel richtig althergebracht aus. In einer Pappendeckelmappe liegen 13 A1-Plakate, auf A4 zusammengefaltet. Auf der Mappe steht, dass es sich hier um eine Sonderausgabe der Zeitschrift der NGO asylkoordination österreich handle. «Fluchtraum Österreich» heißt der Titel der Sonderausgabe, deren inhaltliche und formale Qualität am ehesten in Superlativen beschrieben werden kann.

Dem Generalthema – die räumlichen Aspekte der «Flüchtlingswelle» – sind 13 Essays gewidmet, die die Vorderseiten der Plakate ausfüllen, während wir auf den Rückseiten der Bögen auf Kartografien treffen, die die Visualisierung der Information besorgen. Die begrenzte Verbreitung dieses intellektuellen Produkts – Nina Valerie Kolowratnig und Johannes Pointl dokumentieren damit ihre Langzeitrecherche – wird zum Teil dadurch wettgemacht, dass die 13 Teile auch an den Wänden aller Räume, in denen Menschen zusammenkommen, eine gute Figur machen würden.

2 Beispiele aus 13. Anton Wagner und Mario Weisböck vergleichen die persönlichen Fluchtgeschichten eines 2012 und eines 2014 nach Europa gekommenen Flüchtlings. Grenzen, die 2012 offen waren, sind 2014 geschlossen – und umgekehrt. Es gibt Regionen, von wo noch vor ein paar Jahren niemand weg wollte; inzwischen generieren sie einen Fluchtgrund nach dem anderen. Die dazugehörende Karte visualisiert Fluchtrouten und Fluchtstationen der beiden Ausgewählten; man könnte in den Schulklassen Mensch-ärgere-dich-nicht darauf spielen, spielerisch könnte man den Schüler_innen auf der Basis der Fluchtrouten die Geografie des Nahen und Mittleren Ostens nahebringen – und ihnen gleichzeitig ein erstes Gespür für die herrschende Ungleichheit auf dieser Erde vermitteln.

Birgit Miksch charakterisiert die «Institution Asyl Österreich» als eine «totale Institution» im Sinne des kanadischen Soziologen Erving Goffman. Als sich dieser mit totalen Institutionen wie Gefängnis, Kaserne, Psychiatrie, Erziehungsheim, Altersheim oder Obdachlosenasyl zu befassen begann, kam noch niemand auf die Idee, die Asylbürokratie in diese Reihe einzugliedern. Der Skandal von Traiskirchen hat endgültig gezeigt, dass die «totalsten», nämlich Menschenrechte am radikalsten verneinenden Organisationen die Erstaufnahmezentren sind.

Zu bestellen bei: asylkoordination österreich, 1070 Wien, Burggasse 81/7

Tel.: (01) 532 12 91

www.asyl.at