Die «Schwarze Kunst» war das Synonym für die Buchdruckerkunst; davon abgewandelt steht die «schwarze Magie» bei Karl Kraus für das Zeitungswesen. Diesem gegenüber war er immer im Kriegszustand. Aber es war ein einseitiger Krieg. Die Chefitäten der bürgerlichen Presse waren Kraus intellektuell nicht gewachsen. In der Vorrede zur ersten Ausgabe der Fackel, April 1899, setzt Kraus dem reißerischen «Was wir bringen» der Zeitungen seine Kampfansage «Was wir umbringen» entgegen: «Was hier geplant wird, ist nichts als eine Trockenlegung des weiten Phrasensumpfes.»
In seiner Textsammlung «Untergang der Welt durch schwarze Magie» notiert Karl Kraus, die Österreicher glaubten nicht nur, was sie gedruckt sehen, sondern sie glaubten auch das Gegenteil davon, wenn sie auch dies gedruckt sehen. Ich denke, dass Kraus davon ausging, dass die Herren Chefredakteure nicht kapierten, dass er mit diesem Spruch nicht nur die Lesergemeinde demaskierte.
Weil sie ihm nicht gewachsen waren, war Kraus gefährdet, überheblich zu sein: «Die Tagespresse ist durch meine Leseabende an der Wurzel ihrer Daseinsberechtigung getroffen. Hier ist der Fall eingetreten, dass einer zwischen Oktober und Juni sieben Wiener Säle füllen kann, ohne dass irgendwo ein bezahltes oder unbezahltes ‹Morgen findet statt› zu lesen war», triumphiert der «Popstar», zu dessen Lesungen tatsächlich manchmal tausend Leute erschienen.
Die Qualitätszeitungen trugen zu nationalistischen Ressentiments bei wie die Revolverblätter. Kraus zitiert einen Kriegsberichterstatter, der den Charakter der mit Österreich verbündeten Bulgaren mit den feindlichen Türken vergleicht: «Der Bulgare ist der Vorwärtsstrebende (…) der mit atemloser Energie nach allem greift, was ihm die Kultur des Abendlandes geben kann (…) und nichts spricht deutlicher für ihren Fortschritt als das Entgegenkommen, das sie den fremden Korrespondenten erweisen.» Und der Gegner? «Der Türke dagegen! (…) ist zwischen den Suren seines Korans hängen geblieben (…) In der Dämmerung, die der Koran über sein Leben verbreitet, fühlt er sich wohl (…) verschanzt sich in seinen Moscheen gegen den Ansturm der modernen Zeit.»
Islamophobie 1912, Muslimenhass 2015. Über den Vergleich könnte man tagelang reden. Davor sollte mensch sich unbedingt am «Untergang der Welt» erfreuen …
Karl Kraus, Der Untergang der Welt durch schwarze Magie
Taschenbuch, 1989, Suhrkamp Verlag, 492 Seiten