Die meisten Buchverlage in Österreich neigen zu einer übervorsichtigen Haltung, wenn es um Autor_innen geht, die von den Feuilleton-Starschreibern und Literaturpäpsten durch Ignorieren bestraft werden. Manchmal ist es (für Leser_innen zumindest) ein Segen, dass es auch untervorsichtig agierende Kleinverlage gibt; meist handelt es sich um Ein-Mann-Eine Frau-Verlage: Da ist zum Beispiel Gerald Grassl von der Wiener Werkstatt des «Werkkreises Literatur der Arbeitswelt».Dank Grassls bewundernswerter Manie liegt mit den «Nachrichten aus der Normopathie» nun bereits das zweite Buch vor, das das journalistische Schaffen des 2014 im Alter von 70 Jahren verstorbenen kommunistischen Intellektuellen Lutz Holzinger würdigt. Das erste Buch, «Ein kurzer Sommer der Literatur», hatte Grassl kurz nach Holzingers Tod vollendet. Ein drittes Holzinger-Buch ist bereits angekündigt. Es versammelt seine besten Betriebsreportagen.
Der Titel «Nachrichten aus der Normopathie» bezieht sich auf einen Essay Lutz Holzingers, der im Sommer 2007 im Augustin erschien. Es geht um Menschen, bei denen ein krankhaftes Streben nach Normalität diagnostiziert werden kann. Holzinger: «Im Wiener Volksmund wird eine milde Abart dieses Menschentypus als Zwangler bezeichnet: Zeitgenoss_innen, die in Fragen der Moral, Sauberkeit, Konformität usw. ein Übermaß an Anpassung an den Tag legen und so etwas wie vorauseilenden Gehorsam walten lassen. Diese Haltung ist meist mit übergroßer Vorsicht verknüpft und läuft im praktischen Lebensvollzug darauf hinaus, nur zu tun, was ausdrücklich erlaubt ist.»
Die Auswahl der Holzinger-Aufsätze sei völlig willkürlich, gibt Verleger Grassl zu; uns freut, dass die von Holzinger initiierte Augustin-Serie über die Macht und Monopol-Position des Raiffeisen-Imperiums ansatzweise einen Platz in diesem 180 Seiten umfassenden Büchlein gefunden hat.
Info:
Das Buch ist unter tarantel-wien@gmx.at zu bestellen