Über eine nicht alltägliche Form, Film und Musik gemeinsam zu erleben
Am Eingang zum gern frequentierten türkischen Lokal in der Brunnengasse steht auf einem Schild Gelsenfreier Gastgarten. Thomas Woschitz, 1968 in Klagenfurt geborener Filmemacher, spricht den Kellner darauf an. Dem kommt kein Zweifel aus, er relativiert das deutliche und wirksame Signal nicht. Universalove, der Film, über den wir reden, ist voller deutlicher und wirksamer, nein, nicht Signale, aber Geschichten und Bilder. Liebesgeschichten. Absurde. Gebrochene. Tragische. Unentschlossene. Wahre. Erzählt in klaren Bildern, die sich hervorragend abrufen lassen, wenn man den Soundtrack zu Universalove hört. 10 And 1/2 Songs, wie es im Untertitel der CD heißt, die sich zu etwas verdichten, das mit den besten als solchige konzipierten Alben der Klagenfurter Ausnahmeband mithalten kann.
Nach der vergleichbaren Zusammenarbeit bei Sperrstunde Closing Time 2005 brachten Woschitz und Band Film und Musik jetzt noch näher zusammen, verflochten sie noch intensiver miteinander. Was den Vorwurf klassischer Filmkritiker, das Werk sei zu oberflächlich, bediene zu sehr Musikvideo-Ästhetik seinerseits oberflächlich wirken lässt. Bescher(t)en doch die Gelegenheiten, bei denen der Film mit den vier live vor der Leinwand agierenden Musikern aufgeführt wird, eine nicht alltägliche Form, Film und Musik zu erleben. Und bringen dem studierten Schnittmeister Woschitz (an der Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom bei Lina Wertmüller), der dann für den filmischen Aspekt verantwortlich ist, ein Livefeeling (ich bin noch einmal zuständig), das über die Publikumsbeobachtung Warum geht der? Geht der raus oder geht er aufs Klo? des Filmemachers bei Premieren hinausgeht. Am 16. August geht es für Woschitz und Naked Lunch nach Süd-Korea, wo sie Universalove bei einem (Musik-)Filmfestival in Jecheon aufführen werden, im Anschluss daran stehen drei Termine in Österreich, Klagenfurt, Linz und Wien an. Parallel wird an Kinovorführungen des Films ohne Liveact im Herbst gearbeitet, Spätvorstellungen drängen sich auf. All Is Grace Tonight heißt einer der Songs.
Eine große Liebesgeschichte
Als solche will Thomas Woschitz den Film verstanden wissen, dazu sollen sich die sechs über den Globus verteilten Episoden mit der Musik verdichten. Parallel zur meisterlichen Musik Naked Lunchs, deren textliche Ebene sich auf einige wenige, umso stärkere Sätze eben nicht reduziert, ist dabei das filmische Erzählen eines, dessen Grundprinzip weniger ist mehr ist, bewusst fragmentarisch, angerissen gehalten. Die Bilder haben Platz, die Gesichter, das Nichtgesagte, das Nichtzusagende. Dialoge spielen kaum eine Rolle, und das Spielen mit Klischees zieht eine Metaebene ein. Andererseits verblüfft, wie passend die Storys sich an ihren Schauplätzen entfalten. Thomas Woschitz erzählt, dass die Belgrader Schauspieler meinten: Genau, die typische Belgrader Lovestory!
Ein gutes Jahr dauerte es von der Grundidee zur Erstellung des Scripts und Ausfinanzierung. Letzteres wesentlicher Bestandteil der Kunst des Filmemachens. Dann wurde über einige Monate verteilt in Belgrad, Brooklyn, Luxemburg, Marseille, Rio de Janeiro und Tokyo gedreht. Vier Tage jeweils, Thomas, Kameramann Enzo Brandner und fallweise Oliver Welter von Naked Lunch arbeiteten mit lokalen Crews und SchauspielerInnen. Definitiv eine Leistung, mit einem Budget von 250.000 Euro einen so angelegten 80-Minuten-Film mit internationalen Locations zu drehen. Auch wenn es schwerfällt, sich Thomas Woschitz als bedingungslos von seiner Vision eingenommenen Regie-Egomanen vorzustellen, wirkliche Kompromisse durften die engen Mittel (unter anderem durch/von Kleine Filmförderung, Wiener Filmfonds, ORF Innovationstopf und das serbische Kulturministerium bereitgestellt) keine diktieren. Wenn noch ein Schauspieler sein musste, insistierte der Regisseur. Die ursprünglichen sieben Storys wurden bei den Vorarbeiten auf sechs reduziert, die Machbarkeiten flossen schon in die Vorbereitung, das Drehbuch war als Treatment definiert, notwendiges Umschreiben wegen lokaler, situationsbedingter Gegebenheiten vorab mitgedacht. Was Universalove am Ende so stimmig macht, dass Thomas Woschitz dafür den Max-Ophüls-Preis 2009 erhielt, der Film bei Festivals in Istanbul, Toronto, Miami und auf der Berlinale wohlwollend aufgenommen wurde.
Woschitz hat den Film selbst geschnitten, ließ ihn, quasi zum Vergleich, auch von einem befreundeten Schnittmeister schneiden. Der hat die Musik wie einen klassischen Soundtrack verwendet, dadurch hat das einen ganz anderen Rhythmus. Während Universalove ein hoffentlich noch langes Nachleben führt, entwickelt Thomas Woschitz nach dem Abdrehen ist der Kopf zur Hälfte frei ein neues Projekt, ermöglicht nicht zuletzt durch die Dotierung des Max-Ophüls-Preises. Einen kleinen, handgebauten Thriller.
Info:
www.kgp.co.at
Sa., 22. 8.
Universalove mit Livemusik von Naked Lunch
Arena