Bildung am Abend verboten?tun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Eing'Schenkt (20. November 2024)

In Niederösterreich wurde die Sozialhilfe einer Frau mit der Begründung eingestellt, dass diese eine Abendschule besuche. Das SozialRechtsNetz der Armutskonferenz übernahm den Fall, um gegen die Schikane, sich am Abend nicht weiterbilden zu dürfen, vorzugehen. Schließlich entschied der Verwaltungsgerichtshof: Die Behörde hatte falsch gehandelt und auch das erstinstanzliche Urteil des Landesverwaltungsgerichts war unrichtig. Die Sozialhilfe hätte nicht eingestellt werden dürfen.
Wer von Problemen der Sozialhilfe in Wien spricht, darf zu den Missständen in Niederösterreich, Oberösterreich und anderen Bundesländern nicht schweigen. Es herrscht aber tönende Stille, wenn es um Missstände wie hier in Niederösterreich geht. Es wird seit Monaten eine einseitige öffentliche Debatte zum unteren sozialen Netz in Österreich geführt. Haben Sie von diesem Fall gehört, gelesen, ­etwas gesehen?
Die betroffene Frau war beim AMS arbeitssuchend gemeldet, sie war darüber hinaus aktiv auf Arbeitssuche und schrieb Bewerbungen – und beschloss, die Abendschule zu besuchen. Eine doch eigentlich begrüßenswerte und sinnvolle Sache. Nicht so, wenn man in Niederösterreich in soziale Not kommt. Dort wurde ihr alles gestrichen. Die Frau erhob gegen den Bescheid Beschwerde: Sie stand ja dem AMS ohne Unterbrechung zur Vermittlung zur Verfügung, bezog Notstandshilfe und war darüber hinaus aus Eigeninitiative aktiv auf der Suche nach einer Beschäftigung. Da der Unterricht an der Abendschule montags bis donnerstags von 17.30 Uhr bis 21 Uhr stattfand, stand dieser der Aufnahme einer Beschäftigung auch zeitlich nichts im Weg.
In der Sozialhilfe in Niederösterreich, Oberösterreich oder der Steiermark gibt es eine Reihe von Missständen. Besonders auch in den ländlichen Regionen. Jeder dritte Anspruchsberechtigte bekommt die Leistung aus dem unteren sozialen Netz nicht. Die Gründe: soziale Scham, Angst vor Stigmatisierung, Uninformiertheit, bürokratische Hürden und bürger:inunfreundlicher Vollzug auf den Ämtern. Wäre die Inanspruchnahme «vollständig», würde die Armutsgefährdung in Österreich um fast ein Prozent sinken, das hieße 60.000 Menschen weniger in Armut. Haben Sie von diesem Zusammenhang in den letzten Monaten gehört, gelesen, etwas gesehen?
Wer von den Problemen in der Sozialhilfe spricht, darf zu den Missständen in Nieder­österreich, Oberösterreich oder Salzburg nicht schweigen. Zu drastischen Kürzungen kommt es im Sozialhilfegesetz bei Menschen mit Behinderungen, deren Unterhaltsforderungen jetzt österreichweit als Einkommen gewertet werden. Volljährige Betroffene werden sogar gezwungen, ihren Eltern einen Teil der oftmals geringen Pension per Unterhaltsklage wegzunehmen. Und wenn sie den Schritt aus der sogenannten «Behindertenhilfe» in eine eigene Wohnung und damit in mehr Selbstständigkeit wagen, schlagen diese Regelungen in der Sozialhilfe behindernd zu. Haben Sie von diesen Missständen in den letzten Monaten gehört, gelesen, etwas gesehen?

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