Bitte seien Sie achtsam! Zivilcourage lernentun & lassen

«Leute, die glauben, schwarz-blau 2.0 würde nicht so schlimm, weil wir das letzte immerhin auch überlebt hätten. Für mich war es nicht lustig», schrieb Menschenrechtsaktivistin Sara Hassan auf Twitter. Das war am 13. September 2017, also kurz vor der österreichischen Nationalratswahl.

In mehreren Tweets erzählt sie, dass sie ganz selbstverständlich und überall als «Tschuschenkind» beschimpft wurde. Auf die Frage eines Users, ob es nach der schwarz-blauen Regierungsperiode wieder besser wurde, antwortete sie: «Ja, es wurde danach besser und vor allem weniger selbstverständlich, …». Die Stimmung in einem Land kann schnell kippen. Das, was unterschwellig da war, wird normal. Dinge werden nicht mehr infrage gestellt. Und dann finden es mehr und mehr Menschen einfach ok, andere aufgrund von Hautfarbe, Herkunft oder ähnlich Willkürlichem zu beschimpfen, zu hassen, zu Sündenböcken zu machen.

Eine Freundin erzählte mir kürzlich schockiert von einem Erlebnis in der U-Bahn: Ein Mann ging durch die Wagons, mit einem Schild in der Hand auf dem stand er brauche Geld. Ein Refugee. Plötzlich stand ein älterer, wohl betrunkener Mann auf, fing an den um Geld Bittenden rassistisch zu beschimpfen (auf Österreichisch, wie die Freundin erzählte), schubste ihn und spuckte ihm ins Gesicht. Einige Fahrgäste waren im Wagon, niemand tat etwas. Nur eine alte Frau, die direkt daneben saß, stand auf und versuchte, zu beschwichtigen. Dass jemand derart angegriffen wird und es keinen kümmert, wertete die Freundin als genau jenes Kippen der Stimmung, das auch Sarah Hassan beschreibt. Das Kippen der Stimmung, das Franz Antel im Kultfilm «Der Bockerer» so gut eingefangen hat. Normalisierung kann alles Mögliche bedeuten. Etwa, dass Menschen es normal finden, einfach jemanden anzugreifen, mitten in der U-Bahn. Warum sie selbst nichts getan hat, um dem Mann zu helfen, wollte ich wissen. Ihre Antwort: «Ich schaue ja selbst nicht aus wie eine weiße Österreicherin, ich hatte Angst.» Und: Deutsch ist nicht ihre Muttersprache, was man schnell hört.

Verständlich, es ist nicht immer einfach, wenn (rassistische) Gewalt im Spiel ist, nicht immer ist direktes Eingreifen die beste Idee, oft auch sitzt zuerst einmal der Schock. Aber es gibt Möglichkeiten, wenn sich die Anwesenden zusammentun. Hier blieb nur eine alte Dame, die sich traute. Am Ende ging die Freundin doch zu demjenigen, der angegriffen worden war, und gab ihm Geld, während die Fahrgäste weiterhin vor sich hinstarrten. Beim nächsten Mal liebe Mitmenschen, seien Sie bitte achtsam.