Black History Month – Auseinandersetzung mit einem Teil österreichischer Geschichte, von der kaum jemand weißBoulevard-Blog

Boulevard-Blog vom 08.02.2023

Februar ist Black History Month. In den USA und Kanada, wo der Gedenkmonat seinen Ursprung hat, ist er offiziell anerkannt und wird mittlerweile auch gekonnt vermarktet. In Österreich hingegen erlangen Historie und Errungenschaften Schwarzer Menschen wenig Aufmerksamkeit. Wir haben bei Aktivistinnen sowie beim Weltmuseum Wien nachgefragt, wieso Österreichs Schwarze Geschichte derart negiert wird.

«Die Grundidee des Black History Month ist, über die Geschichte, Leistungen und Errungenschaften Schwarzer Menschen zu informieren, um ein Bewusstsein für deren Bedeutung in der Globalgeschichte zu schaffen und das Interesse daran zu fördern», erklärt Beverly Mtui. Gemeinsam mit Joy Adenike moderiert sie seit vier Jahren die Radiosendung «Fresh Vibes» auf Radio Orange, die die junge afrikanische Diaspora in Österreich repräsentiert. Die beiden Aktivistinnen haben auch das Kick-Off-Event zum Black History Month am 1. Februar mitorgansiert. 150 Menschen waren in der Hauptbücherei am Wiener Gürtel anwesend, wo die Arbeit verschiedener Vereine und Institutionen sowie die geplanten Veranstaltungen für den Februar präsentiert wurden.

Vielfalt der Diaspora zeigen

«Wir waren mit dem Abend sehr zufrieden und ich selbst habe mich danach auch wirklich bestärkt gefühlt. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass der Black History Month in Österreich nach wie vor nur in einer gewissen Bubble präsent ist. Die breite Masse hat weder Ahnung davon, dass es den Black History Month gibt, geschweige denn davon, dass Österreich überhaupt Schwarze Geschichte hat», sagt Joy Adenike. Mit verschiedenen Workshops und Vorträgen will man die Vielfalt der afrikanischen Diaspora in Österreich zeigen und die Schwarze Geschichte auch Menschen außerhalb der Black Communities näherbringen. Eigentlich aber sollte es dafür keinen Aktionsmonat brauchen, sind sich die beiden einig. Veranstaltungen in diesem Sinne gebe es ohnehin jeden Monat – das Interesse daran sei halt gering.

«Eigentlich sollte jeder Monat Black History Month sein», meint Jonathan Fine, wissenschaftlicher Direktor des Weltmuseum Wien. «Denn die Rolle, die Afrika in der Weltgeschichte gespielt hat und auch heute noch spielt, ist wirklich zentral – und das wird oft vergessen. Aber Fakt ist, dass der Großteil des Reichtums Europas auf dem Kontakt mit Afrika basiert. Und dass auch immer schon viele Afrikaner:innen nach Europa gekommen sind. Viele Familien haben hier ein Zuhause gefunden und leben seit Generationen hier. Das muss sichtbarer gemacht werden und als Stärke, nicht als Schwäche gesehen werden.»

Rassismus in Österreich

Man zeige oft mit dem Finger auf die USA und schimpfe über den dort herrschenden Rassismus. Dass wir in Österreich selbst ein großes Problem mit Rassismus haben, werde dabei oft vergessen, so Beverly Mtui: «Ich habe hier oft das Gefühl, Rassismus und Diskriminierung werden von vielen Menschen mit Tradition verwechselt. Viele Menschen in Österreich haben weder ein Bewusstsein für ihren Rassismus, noch einen Bezug zu Menschen afrikanischer Herkunft. Es wird immer so getan, als wären wir plötzlich in den 90er-Jahren hier aufgetaucht. Dabei sind wir schon viel länger Teil dieses Landes und seiner Geschichte.»

Die Forschung zur afrikanischen Diaspora in Österreich gestaltet sich spärlich. Wissenschafter:innen gehen aber davon aus, dass die ersten Menschen mit afrikanischer Herkunft bereits im 15./16. Jahrhundert nach Österreich gekommen sind. Traurige Berühmtheit erlangte der Fall von Angelo Soliman, einem Mann afrikanischer Herkunft, der Mitte des 18. Jahrhunderts am Wiener Hof lebte. Zunächst versklavt, erreichte er durch Glücksspiel, eine Heirat und gute Geschäfte den Status eines freien, angesehenen Geschäftsmannes. Nach seinem Tod jedoch wurde sein Leichnam geschändet und an das «kaiserliche Naturalienkabinett» übergeben. Angelo Solimans Körper wurde ausgestopft und in der Sammlung als «Wilder» ausgestellt. Der Fall steht stellvertretend für viele weitere kolonialistische Gräueltaten der Schwarzen Geschichte Österreichs. «Die fehlende Aufarbeitung der kolonialistischen und auch nationalsozialistischen Vergangenheit ist ein großes Problem in diesem Land», stellt Beverly Mtui fest und verweist auf die Forderungen des «Black Voices» Volksbegehrens. Es wurde nach den «Black Lives Matter»-Demonstrationen im Frühjahr 2020 gestartet und verpasste im Jahr 2022 knapp die 100.000 benötigten Unterschriften. Eine Forderung des Volksbegehrens wäre auch gewesen, die Bildungsinhalte in Schulen zu dekolonialisieren. «Ein wichtiger Schritt, um die Geschichte umzuschreiben und ein Bewusstsein zu schaffen. Und ich sage extra nicht ‹neu schreiben›, denn wir Schwarzen Menschen waren ja immer ein Teil davon», so Beverly Mtui.

Positive Bilder gegen Vorurteile

Diese Tatsache geht nach wie vor oft unter. Das Weltmuseum Wien und das Haus der Geschichte Österreichs (ebenfalls in Wien) sind aktuell auch die einzigen größeren Kultureinrichtungen, die den Black History Month als Anlass für spezielle Workshops und Führungen nehmen. Weltmuseum-Direktor Jonathan Fine wünscht sich hier seitens der Museen mehr Zusammenarbeit: «Also es gibt natürlich viele verschiedene Orte in Österreich, wo afrikanische Kunst ausgestellt wird. Das geht von moderner Kunst in Vorarlberg über traditionelle afrikanische Kunst in Tirol bis eben zu uns ins Weltmuseum im Osten Österreichs. Aber was bestimmt noch fehlt, ist das Bewusstsein, dass das alles zusammenhängt, und ich glaube da würde der Black History Month schon eine gute Gelegenheit bieten, das gemeinsam anzugehen.» Damit meint Jonathan Fine nicht nur die Aufarbeitung kolonialistischer Geschichte, sondern auch die positive Repräsentation Schwarzer Künstler:innen der Gegenwart: «Museen können helfen, ein positives Bild von Afrika und der afrikanischen Diaspora in Österreich zu bilden und zu stärken. Positive Bilder helfen gegen negative Vorurteile. Und es ist natürlich auch ein Mittel, mit dem man erreichen kann, dass sich Menschen mit afrikanischer Herkunft in Österreich repräsentiert und mehr zuhause fühlen können.»

Auch den Organisatorinnen des Black History Month geht es darum, Positives in den Vordergrund zu stellen. «Am 25. Februar werden wir wieder die Black Austrian Awards verleihen», erzählt Joy Adenike. 2018 von Simon Inou ins Leben gerufen, werden bei der Preisverleihung Schwarze Persönlichkeiten in verschiedenen Kategorien wie Medien, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport und politisches Engagement geehrt. «Um der Mehrheitsgesellschaft zu zeigen, wir sind mehr als das, als das wir oft dargestellt werden» sagt Beverly Mtui.

 

Weiterführende Links:

Wer am Black History Month teilhaben möchte, findet hier den Eventkalender von «Black Austria»: www.blackaustria.info/veranstaltungen/monat/

Hier geht’s zur Radiosendung «Fresh Vibes» auf Radio Orange: o94.at/programm/sendereihen/freshvibes

Hier gelangt man zum «Fresh Vibes Magazin», dass sich in der aktuellen Ausgabe ausgiebig mit der Entwicklung der Black Communities in Österreich sowie der Restitution von Kunstobjekten in österreichischen Museen beschäftigt: www.blackaustria.info/2023/01/21/fresh-magazin-neu-restitution-und-schwarzer-aktivismus/

Für detaillierte Infos zur Schwarzen Geschichte Österreichs empfiehlt Beverly Mtui folgendes Buch von Walter Sauer: Afrikanische Migration und Communitybuilding in Österreich – eine Geschichte

wirtschaftsgeschichte.univie.ac.at/publikationen/einzelansicht/news/walter-sauer-jenseits-von-soliman/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=d277b1f89edbc1e279c05f53ddafb0e0

Bild 1: FreshVibesRadio
Bild 2: Joy Adenike referiert beim Kick-Off-Event des Black History Month über die Arbeit der Schwarzen Frauen Community (FreshVibesRadio)

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