Blau-rot, nicht schwarz ist der Todvorstadt

Wahrlich eine Tourist_innenattraktion: der «Cimitirul Vesel» (= Fröhliche Friedhof)

Fährt man durch die rumänische Region Maramure?, sieht man über Land viele Wiesenfriedhöfe ohne Zäune und Mauern am Rande der Dörfer. Hübsch anzusehen in dieser hügeligen Gegend, aber nicht zu vergleichen mit dem bekanntesten in der Ortschaft Sapinta (auch S?pân?a), dem «Fröhlichen Friedhof».Rot-blau sind die Nationalfarben von Maramure? (Autokennzeichen MM), einem der 42 Kreise, in welche die Provinz Rumäniens aufgeteilt ist. Alle Kreishauptstädte werden von Bukarest aus regiert. Armut ist übrigens seit zweitausend Jahren Tradition in Rumänien. Man leitet die Herkunft der Rumän_innen über die Dakerromanen von den Dakern ab.

Heute kaum zu glauben, dass diese Daker den Tod gefeiert haben, fröhlich gewesen sind, wenn einer gestorben ist. Bei einer Geburt haben alle getrauert, geheult sogar und das Kind bedauert, das in dieser rauen Welt das Licht erblickt hat, folgen soll und etwas lernen. Einmal wird der arme Wurm sogar arbeiten müssen …

Der Tod hat den Menschen von all diesen Lasten und sogar von Krankheiten und Alter befreit. Das war dann ein Fest mit Musik und Tanz, bei dem sich die Hinterbliebenen gefreut und besoffen haben. Das ist lange her, wahrscheinlich so ca. im 1. Jahrhundert v. Chr.

Wen wundert es also, wenn der örtliche Bildhauer Ion Stan Pátras in den 1930er Jahren exklusive bunte Holzkreuze für die Verstorbenen herzustellen begann, die heiter stimmen und manchmal wie ein «Moralapostel» dastehen. Zuerst wurde geschnitzt, dann bemalt. Witzig auch die maßgeschneiderten und nichts beschönigenden Grabinschriften, z. B.:

«Hier liege ich, der Verstorbene namens Turda Ion Ciorbu. In meiner Kindheit kränkelte ich viel, so erging es mir. Doch später habe ich viel gearbeitet und auch viel geraucht, 6 Kinder hab ich gezeugt und ein Leben geführt mit Gott.»

Man muss sich all die ungewöhnlichen Texte übersetzen lassen, dazu gibt es sogar einen Folder im Souvenir-Blockhaus. Aber allein schon an den Bildern der Kreuze kann man die Todesursache oder den Beruf des Verblichenen leicht erkennen, den Tischler, Kellner, Pferdenarr, Musiker, Schafhirten oder Soldaten, fast alles humorvolle Biografien.

Am bekanntesten ist das Grab der Schwiegermutter, sogar ein Wegweiser zeigt darauf. Die Quintessenz der Aufschrift: Die, die hier vorbeigehen, sollen sich bessere Schwiegermütter aussuchen.

Der Trinker hat auch eine Nachricht hinterlassen: «Der Schnaps ist reines Gift, er bringt Jammer und Qual. Das hat er mir auch gebracht, den Tod, der mich genommen hat. Wer so wie ich den Schnaps liebt, wird so wie ich bezahlen. Mit ihm in der Hand bin ich gestorben …» (Der Gute hat es nur auf 45 Jahre gebracht.)

Viele Humoresken sind zu lesen. Ein Lustiger rät seinen Eltern, sie sollten sich mit seinen Brüdern trösten. Ein anderes Kreuz zeigt das Bild eines Mannes, der als Beamter die Bürger wie kleine Kinder mit stets erhobenem Zeigefinger behandelt hat.

Der alte Meister dieser Kunstwerke ist 1977 verstorben, sein Porträt am Kreuz ist wohl das größte. Doch er hat einen Nachfolger gefunden, den neuen Meister.

Die Kirche, welche sich auf dem Friedhof befindet, stammt aus dem Jahr 1886 und wurde 2013 renoviert. Ihre Glocken sind aus dem Jahr 1914. Man stelle sich vor, ungefähr 800 Kreuze in Reih und Glied, und der Gottesacker wird immer noch erweitert. Nur muss man heute Geld haben, um auf diesem berühmten Friedhof bestattet zu werden, der Tradition und Ironie so gut mit dem Gedanken der Unsterblichkeit verbindet.

Vor allem ist hier die Neutralität gegenüber den Geschlechtern abzulesen. Sie lässt erkennen, wie groß die Achtung vor Mann und Frau ist, gleich welche Aufgaben ihnen zuerkannt wurden. Jüngste Schriften ziehen wegen der Todesphilosophie sogar eine Parallele zwischen der Cheops-Pyraminde und dem Fröhlichen Friedhof.

Foto: Maria Gornikiewicz