Bolschewismus im Gemeindebautun & lassen

Spaziergänge durch die Immobiliengeschichte Londons

London ist der Inbegriff einer Stadt, in der man sich das Wohnen nicht leisten kann. Dabei lebte bis in die 1970er-Jahre ein Drittel aller britischen Haushalte in sozialem Wohnbau!In manchen Bezirken Londons wurde damals nicht nur kommunal gebaut, sondern sogar «munizipialisiert», also privater Wohnraum gekauft und zu kommunalem gemacht. Wenig überraschend war es die Regierung Thatcher, die die Gemeindebauten durch Eigentumswohnungen zu ersetzen trachtete: «Wer eine Immobilie besitzt, ist kein Bolschewik – das war die Logik.» Man lese es als Warnung: Wien mag verglichen mit London extrabillig sein – aber London zeigt vor, was einer Stadt alles blühen kann, wenn man auf den sozialen Wohnbau nicht sehr gut aufpasst.

Peter Stäuber spaziert in seinem London-Buch durch die «umkämpfte Metropole» an der Themse und erzählt die Geschichte ihrer Stadtentwicklung. Er erzählt davon, dass er das Spezielle an London, das bisschen Undurchschaubare durch Gleichförmigkeit und Ordnung gefährdet sieht. Oder von Verdrängungsprozessen – nicht nur von den altbekannten der Armen durch die Reichen, sondern auch von denen der Aristokrat_innen durch die Neureichen: Im Nobelbezirk Mayfair seien durch das Finanzgebaren der Neureichen die Immobilienpreise so sehr gestiegen, dass die bemitleidenswerten Kinder der Altansässigen sich woanders um Häuser umschauen müssten; der Konflikt zwischen den feinen Alt- und den plumpen Neureichen sei nicht allein ökonomischer, sondern auch kultureller Natur: «Man ekelt sich vor dem Reichtum, der nicht subtil ist.»

Peter Stäuber lebt selbst seit Jahren in London – mittlerweile in einer adretten Wohnung zu, Dank sei dem Landlord, stagnierender Miete (Mietobergrenzen gibt es in London nämlich keine). Sein Buch ist ein Cityguide, dessen Touren ausgehend von den Riots 2011 bis zum Brexit-Referendum 2016 die unsichtbare Geschichte des Londoner Immobilienmarkts erzählt. Well done!

Peter Stäuber: London. Unterwegs in einer umkämpften Metropole

Promedia 2016, 206 Seiten,

17,90 Euro