Bretter zu ArchenArtistin

Interview: Jakub Kavin, Theatermacher

Das TheaterArche hat nun einen fixen Spielort und Wien wieder eine

Bühne mehr. Mit der Eigenproduktion ANSTOSS eröffnet man das Haus sportlich.

Hannes Gaisberger hat mit dem künstlerischen Leiter Jakub Kavin über Kunst,

Barrierefreiheit und die Missbrauchsfälle im Schisport gesprochen.

Foto: Mario Lang – Jakub Kavin, Schauspieler, Regisseur und Gründer des TheaterArche, sowie u. a. beim Kinder- und Jugendtheater Wien aktiv, hat zum Sport nicht nur künstlerischen Bezug: «Ich bin Rapid-Mitglied, als Tscheche durch Antonín Panenka in den 1980ern emotional in Hütteldorf gelandet»

Herr Kavin, als freie Gruppe existiert das TheaterArche ja schon länger …

Die Idee zum TheaterArche ist mit einem Projekt entstanden, das wir in der Ankerbrotfabrik gemacht haben, im Dezember 2015. Das hieß Outsiders, und die Idee war, eine möglichst große Bandbreite der Gesellschaft auf die Bühne zu stellen. Da hatten wir ein sehr diverses Ensemble. Ich fand diese Diversität etwas unterrepräsentiert in der Wiener Kulturszene.

Müssten Sie damit nicht ein Liebling der Wiener Förderstellen sein?

Ich suche seit 2001 mindestens zweimal jährlich an und habe genau für drei Projekte Geld bekommen. Dieses Thema habe ich 2016 mit dem Stück Wir Hungerkünstlerinnen. Wir Hungerkünstler verarbeitet. Das war die erste Eigenproduktion des TheaterArche, übrigens mit dem Stimmgewitter AUGUSTIN auf der Bühne.

Hat sich der Wechsel im Kulturressort für Sie positiv bemerkbar gemacht?

Bereits wenige Wochen nach dem Amtsantritt der Kulturstadträtin im Sommer habe ich sie zur Premiere und zur Eröffnung eingeladen. Im Herbst dann wieder, im Jänner nochmals in forscherem Ton. Zwei Tage nach der Eröffnung kam dann ein Mail von einem Referenten, ich hätte die Fr. Kaup-Hasler leider zu spät eingeladen. Ich finde, sie hätte sich den Termin allein deshalb freihalten können, weil sie in ihrer Amtszeit vielleicht nicht mehr die Gelegenheit haben wird, ein Theater zu eröffnen!

Nun haben Sie in der Münzwardeingasse einen festen Spielort gefunden, den Sie bestens kennen.

In den letzten 14 Jahren waren diese Räume das Theater Brett, benannt nach meiner im Juni verstorbenen Mutter Nika Brettschneider, die das Haus geleitet hat. Dieses Theater hatte auch keine Förderungen, und es war auch die finanzielle Kapazität gar nicht da, mit diesem Raum zu spielen. Die Bühne und die Zuseher sind ganz klassisch installiert gewesen. Mir war es ganz wichtig, den Raum wieder in seinen Vorzügen zu bespielen. Einerseits, dass er variabel ist. Ich hoffe, dass diese Flexibilität von den sich einmietenden Gastgruppen wirklich angenommen wird. Die zweite große Stärke ist die Barrierefreiheit, und zwar in dem Sinne, dass man vom Gehsteig ebenerdig in den Saal kommt. Die Performerin Cornelia Scheuer, die selbst im Rollstuhl sitzt, betont, wie wichtig so ein Raum für Wien ist. Es gibt zahlreiche Theater, die relativ hoch gefördert werden, und dort spielt sie dann im Keller und es kann eigentlich niemand aus ihrer Community zusehen kommen. Also diese Mischung aus Variabilität und Barrierefreiheit gibt es nicht so häufig.

Sie haben schon mehrmals auf Crowdfunding zurückgegriffen, um Produktionen zu finanzieren.


Finanzieren … das ist ein großes Wort dafür. Ich konnte die Projekte dadurch halt ermöglichen. Wie zum Beispiel Miete zahlen, Flyer drucken und so was. Aber das Wichtigste wäre eigentlich, dass die Menschen bezahlt werden, die arbeiten. Von den 16, die auf der Bühne sind, sind vielleicht drei oder vier nicht darauf angewiesen, haben andere Jobs oder gehen noch in die Schule. Die anderen sind professionelle Künstler und müssen davon leben. Und das kann ich mit Crowdfunding natürlich nicht stemmen. So eine Produktion wie die aktuelle würde, damit die Leute wirklich halbwegs eine faire Bezahlung bekommen, durchfinanziert irgendwo bei 70.000 Euro anfangen. Zu denen auf der Bühne kommen ja auch noch welche hinter der Bühne dazu.

Warum fiel die Entscheidung für die Eröffnungsproduktion auf ein Stück, dass Sport zum Thema hat?

Ich habe das Projekt vor acht Jahren das erste Mal eingereicht, habe probiert, das gefördert zu bekommen. Es hat nie funktioniert. Die Entscheidung, es jetzt zu machen, hat verschiedene Gründe. Erstens kam es mir schön vor, mit einem Stück namens Anstoss zu eröffnen. Der andere Grund war die Aktualität, mit der Thematik rund um den ÖSV und Nicola Werdenigg. Wenn man das Projekt schon im Köcher hat, will man auch der sein, der das in Wien aufgreift.

In jeder Vorstellung ist jeweils ein Gast mit Sportbezug anwesend und ins Stück integriert, darunter Franzobel, ­Ulrike Lunacek und auch Nicola Werdenigg. Wie hat sich der Kontakt mit Frau ­Werdenigg, die sich an zwei Abenden selbst spielen wird, ergeben?


Das preisgekrönte Standard-Interview mit Frau Werdenigg hat Philip Bauer geführt, ein ehemaliger Schulkollege von mir. Ihr Beitrag hat sich dann daraus ergeben. Ich habe sie gefragt, ob sie nicht im zweiten Teil ihre Geschichte erzählen möchte. Das wird improvisiert werden, muss sich aber in den Rest des Stückes hineinpassen. Das zeichnet das Theater ja aus. Das eine ist, auf Dinge aufmerksam zu machen, rein die Fakten zu nennen. Das andere ist, dass man im Kunstkontext die Dinge besser verweben kann. Ich kann eine Werdenigg, einen Schröcksnadel, eine Moser-Pröll kombinieren mit einer Missbrauchsgeschichte von Tonya Harding oder dem auch wieder systematischen Hormon-Missbrauch in der DDR. Man kann die Systematiken ein bisschen in einen breiteren Kontext stellen. Dazu können wir aktuell reagieren. Frau Moser-Pröll war ja gerade in der ZIB 2 und hat behauptet, dass alle Vorwürfe erstunken und erlogen sind. Am Tag danach hat sie dann gleich ein Zitat mehr im Stück gehabt.

Sie haben durch viele Tanz- und Trainingseinlagen versucht, das Physische auf die Bühne zu bringen. Welche Mittel bietet einem hier das Theater?

Ein Sportstück ganz statisch zu machen, fände ich schwierig. Man muss die Theatralität schon suchen. Es ist nicht so, dass einfach irgendwelche Bewegungen schon Atmosphäre erzeugen. Das macht den Zauber des Theaters nicht aus. Deshalb haben wir etwa mit der Darstellung von Super-Zeitlupen gearbeitet. Das ist ja eine Form, wie Sport im Fernsehen emotionalisiert wird, das hat mich interessiert.

Ist es für das Publikum hilfreich, sportliches Vorwissen mitzubringen?

Ich habe schon Feedback von Sportverweigerern bekommen, dass sie sehr hineingezogen worden sind und es spannend fanden. Mir war es schon ein Anliegen, etwas zu schaffen, wo der Sportkenner sich nicht über die Banalität langweilt, aber gleichzeitig gibt es natürlich ganz banale Sprüche wie ‹Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien!›

Sind die Fußballer-Zitate als Auflockerung für jene gedacht, denen die Thematik zu ernst werden könnte?

Ein Schmunzeln oder Lachen öffnet wieder die Synapsen im Hirn und lässt es wieder zugänglicher sein für die emotionaleren Momente. Wenn man nur Drama mitbekommt, kann man sich irgendwann nicht mehr so darauf einlassen.

Wie sehen die weiteren Pläne des Theaters aus?


Für das Jahr 2019 sind zwei Eigenproduktionen fix. Grundsätzlich steht der Raum für die freie Szene zur Verfügung und ich denke, es bietet viel Potenzial, um sich hier künstlerisch auszutoben.

ANSTOSS

Text und Regie: Jakub Kavin

31. Jänner – 2. März, Do bis So, 20 Uhr

6., Münzwardeingasse 2

Tickets: 24, ermäßigt 14 Euro

www.theaterarche.at

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